Dienstagabend. Die Kirchturmuhr schlägt 7-mal. Pünktlich mit dem letzten Glockenschlag kommt unser Vereinsmitglied Hans-Norbert Gast als Nachtwächter um die Ecke. Ausgerüstet mit Trillerpfeife, einem Horn und einer Hellebarde singt er das Nachtwächterlied „Hört ihr Leute und lasst Euch sagen ..." Vor unserem Haus der Stadtgeschichte haben sich etwa 100 interessierte Gäste versammelt. Es waren viele bekannte Gesichter dabei, aber auch ein großer Teil Urlauber, die freudig auf den Stadtrundgang zum Thema Rheinsberger Feuersbrünste warteten.
Unser Vorsitzender Jörg Möller verweist bei der Begrüßung auf die vielen Brände, bei denen Rheinsberg teilweise in Schutt und Asche versank, auf das 150. Jubiläum der örtlichen Feuerwehr und auf die derzeitige Ausstellung Feuer & Flamme. „Eigentlich hatten wir vor in der Ausstellung zu beginnen, aber da passen ja wohl doch nicht alle rein“.
So ging es kurzerhand um die Ecke, wo in der Kirchstraße nach 20 Metern schon das erste Halt ertönte. Jörg zeigte auf den auf den Mittelteil der ehemaligen Schule aus dem 18.Jh., der im Gegensatz zu den Teilen rechts und links kein Fachwerk besitzt. „Hier hat es 1945 in den letzten Kriegstagen einen Bombentreffer gegeben, genauso wie beim Rathaus“.
Nächstes Ziel war die Laurentiuskirche. Sandra Bothe, Restauratorin und Vereinsmitglied hat 2018/19 an der Innenraumrestaurierung mitgewirkt. Sie berichtet von gleich drei versteckten Hinweisen, die von den Stadtbränden 1566, 1635 und 1740 berichten.
Die spannendste Entdeckung war ein Chronogramm. Das ist ein gemalter Vers, der von den Restauratoren in einer Fensterlaibung gefunden und freigelegt wurde. Die geheime Botschaft verweist auf einen Brand im Jahre 1635. Wie das Chronogramm entschlüsselt wird, ist in unserer Ausstellung nachzulesen.
Von der Kirche ging es weiter in Richtung Mühlenstraße. Angekommen an einem Ackerbürgerhaus erinnerten Peter Franke und Ute Gimajew an den großen Stadtbrand von 1740, der ganz Rheinsberg vernichtete. Lediglich 19 Häuser der Mühlenstraße überstanden das Feuer. Heute erinnern die breiten Straßen und die quadratischen Wohnquartiere an den Wiederaufbau der Stadt. Nur die Mühlenstraße hat heute ihre mittelalterliche krumme Form behalten.
Eine weitere Station war der Standort der früheren Steingutfabrik an der Rhinstraße. Hier erzählte Sandra von den Bränden 1925 und 1972 und las Berichte aus der Rheinsberger Zeitung vor. 1925 versagte z.B. die neue Motorspritze der Feuerwehr, weil sie eingefroren war und Konditormeister Rückheim starb an einem Herzschlag, als er das Großfeuer sah.
Nach gut einer Stunde erreichten wir die 1913 erbaute Stadtschule in der Menzer Straße. Ute Auricht las aus der Märkischen Zeitung vor, die vom Brand der auch als Aula genutzten Turnhalle im Dezember 1920 berichtete. Der Nachtwächter erinnerte noch an einen Scheunenbrand, der 1840 ganze 30 Scheunen vernichtete, denn in unmittelbarer Nähe, dort, wo sich heute Edeka und Aldi befinden, gab es seit dem Stadtbrand von 1740 eins von drei großen Scheunenvierteln. Dann beendete er den Rundgang und wünschte uns mit einem seiner selbstgedichteten Reime, eine gute Nacht.