Als Rheinsberg vor 100 Jahren seine Serienscheine druckte, war die Not nicht groß - der Kassenbedarf wohl schon
Celina Aniol
(aus: Märkische Allgemeine; 02.02.2022)
Rheinsberg. Die eigene Silhouette zu Geld machen-wörtlich. So lautete das Credo Rheinsbergs vor 100 Jahren. Die Selbstdarstellung auf die Spitze treibend, brachte die Stadt 1921 und 1922 eigenes Geld mit Konterfeis des Lokalkolorits heraus: dem Schloss, dem Obelisken, der Hofgesellschaft im Boot auf dem. Grienericksee schippernd und natürlich dem Alten Fritz, der Galionsfigur der Stadt. Doch das Rheinsberger Notgeld war nicht unbedingt dazu da, um Geldnot zu stillen. Kurz zuvor war das schon der Fall im Deutschen Reich. Die Kriegswirtschaft brauchte dringend Metall, die Regierung zog beim Volk alles ein, was sich einschmelzen ließ. „Alles, was aus Alu und Eisen war, wurde eingeschmolzen", erzählt Heimatforscher Hans-Norbert Gast. Selbst Kupfer- und Nickelgroschen mussten daran glauben. Den Rest horteten die Banken und auch die Bürger, weil der Wert des Münzmaterials wegen der Inflation höher war, als die Prägung es vorgab. „Es gab so gut wie keine Münzen mehr", beschreibt der Rheinsberger Hobby-Historiker die Ausgangslage. „Selbst beim Bäcker war kein Kleingeld mehr da." Womit aber das Brot bezahlen? Notgeld sollte da helfen, das ab 1914 in Umlauf kam. Zuerst noch zögerlich ausgegeben, boomte das Drucken der Noten ab 1918. Hunderte Städte und Gemeinden, aber auch Sparkassen und private Betriebe, brachten eigenes Geld auf Geheiß der Regierung heraus. Die gab vorübergehend den Anspruch auf, alleiniger Herausgeber von Zahlungsmitteln zu sein, weil sie befürchtete, dass die Nachkriegswirtschaft zusammenbricht - denn die Reichsbank kam in der Inflation mit dem Drucken der Geldscheine nicht mehr hinterher. Durch das örtlich geltende Notgeld retteten sie die lokale Wirtschaft und sicherten dem Volk das Geld fürs tägliche Brot. Rheinsberg stieg in dieses Geschäft erst ein, als die größte Not vorbei war - die Gemeinden aber das große Geschäft im Drucken der Noten witterten. Lukrativ war es, weil die Reichsbank die Hälfte der Druckkosten übernahm - und weil mittlerweile die meisten Noten direkt in Alben von Sammlern wanderten oder an Spekulanten gingen, die mit ihnen im großen Stil handelten. Es gab sogar reich illustrierte Notgeld-Kataloge. Der Staat duldete das Treiben: Er sah es quasi als eine kleine Extra-Steuer, die für mehr Zufriedenheit im Land sorgte. Und die Städte übertrafen einander mit immer schöneren Motiven auf den Scheinen, um den Absatz zu steigern. Neben dem Standardprogramm gab es deshalb bald besonders kunstvoll gestaltetes Ersatzgeld oder auch Scheine, die auf Seide gedruckt, und solche, die in Leder geprägt wurden, aber auch Münzen aus Meißner Porzellan, erzählt Gast. „Es war eine verrückte Zeit." Rheinsberg, in dem damals etwa 3000 Menschen lebten und in dem es durch prosperierende Betriebe wenig Not gab, setzte beim Notgeld, das längst keines mehr war, auf verschnörkelte Typographie und historische Motive - ihren touristischen Wert hatte die Stadt längst erkannt und wollte ihn vermarkten. „Die Stadt war der Meinung, dass jeder Sammler so etwas haben wollen wird", sagt Jörg Möller. Möller, der Vorsitzende des Rheinsberger Vereins Stadtgeschichte, begann schon vor Jahrzehnten, zum Notgeld seiner Heimatstadt zu forschen. Viel erzählen könne er dennoch nicht, bedauert er. Nur, dass es zwei Serien gab: eine mit vier Scheinen, die 1921 vom „Görlitzer Nachrichten und Anzeiger" gedruckt wurde, und eine zweite mit zwölf etwas größeren Noten aus dem Jahr 1922, die aus den Druckerpressen des Neuruppiner Bilderbogen-Verlages „ Oehmigke & Riemschneider" stammte. Der Wert beträgt zwischen 25 und 75 Pfennig; und es gibt wohl auch die bei Sammlern beliebten Scheine im Spiegeldruck. Informationen zu den meisten anderen Details fehlen, weil die üblichen Quellen nichts liefern. Die Stadtarchive nicht, weil das Rheinsberger Rathaus samt Unterlagen 1945 abbrannte. Und auch nicht die „Rheinsberger Zeitung", denn die betreffenden Jahrgänge des seit 1894 erscheinenden Blatts sind nicht auffindbar. Klar ist nur, dass das Ende des „Notgeldes " im Herbst 1922 eingeläutet wurde, so Möller: Das Rheinsberger Magistrat teilte im Kreisblatt mit, dass das Notgeld am 15. November seine Gültigkeit verliert. Die nächste Notgeld-Druckwelle, die wegen der galoppierenden Inflation bald schon kommen sollte, machte Rheinsberg, anders als Neuruppin, nicht mit. Wie gut Rheinsberg wirklich am Notgeld verdient hat, ist unbekannt. Fakt ist aber, dass die schon damals beliebte Sammlerware bis heute Absatz findet, für ein Vielfaches ihres Nennwertes.