24.Lange Nacht der Künste in Rheinsberg unter dem Motto Ohne Kunst wird’s still zog viele an
Regine Buddeke
(aus: Märkische Allgemeine; 08.11.2021)
Rheinsberg. Nicht ganz so groß, nicht ganz so voll wie sonst. Aber immerhin: 18 Veranstaltungen sind zur 24. Auflage der Kunst-Nacht im Angebot und werden von den kultur-hungrigen Gästen am Samstag auch gern angenommen. Im Haus des Vereins für Stadtgeschichte Rheinsberg präsentieren Vereinschef Jörg Möller und sein Mitstreiter Hans-Norbert Gast das Haus. Denn da ist inzwischen viel mehr zu sehen als zu der Zeit, als der Verein die heruntergekommene Immobilie erwarb. Möller führt eine Gruppe durch den Schlachtraum der einst dort angesiedelten Fleischerei: An der Wand hängen altertümliche Schlachterbeile, man sieht am Boden noch die Rinne, in der vor 100 Jahren das Blut zum Gully floss. Möller zeigt die Stellen, an der die alten rostigen Träger bröselten und die neuen, die inzwischen für Stabilität sorgen. „Wir wollen natürlich auch die Nutzung des Hauses zeigen“, so Möller. Man habe sich, um das marode Objekt sanieren zu können, für das Förderprogramm „Neustart Kultur" beworben und 30 000 Euro bekommen. „Wir haben eine krumme Treppe ersetzt, eine alte Tür wieder aufgearbeitet, einen Schrank in die Wand integriert- alles im alten Stil. " Ein Vereinsmitglied hat für eine alte Tür ein Bleiglasfenster gestaltet, das den Weg vom Schwein zur Wurst symbolisiert. Die alte preußische Kappendecke wurde stilgerecht erhalten. Möller zeigt den Kühlraum des Fleisches und den sechs Stufen tiefer liegenden Eiskeller. Er erzählt, dass immer ein Eisvorrat für zwei Jahre dort lagerte -wusste man doch nicht, wie der nächste Winter wird. „Und wie hielt sich das?" „800-er Wand“, erklärt Möller das Prinzip der drei Wände mit zwei Hohlkammern dazwischen. Jetzt hat der Verein eine Fußbodenheizung installiert. Für die Räume habe man schon ein Nutzungskonzept erarbeitet. In der einstigen Kühlkammer etwa sollen auf Schautafeln die vier Säulen des künftigen Ausstellungskonzeptes gezeigt werden: die Stadtentwicklung, die über 250-jährige Keramikgeschichte der Stadt, das Kernkraftwerk und die Carmol-Fabrik. „Meine Oma hatte zwei Fläschchen - eines für innen und eines für außen - und es half bei allem" , erzählt Möller. Noch heute würden Pharmakonzerne Milliarden in die Forschung stecken, um solche ein Allheilmittel zu erfinden. Einen Fahrstuhl soll das Haus noch bekommen, auch einen Sitzungssaal. Im Eiskeller soll künftig eine Tafel über den Umbau des Hauses informieren, eine weitere über alle bislang gestemmten Projekte des Vereins und eine dritte über das Wirkprinzip einer solchen Kühlzelle. Auch soll der Eiskeller künftig samt neu installierter Küche für Veranstaltungen und Feiern buchbar sein. Elektrik, Wasser, Heizung - alles sei neu gemacht worden im Vereinsgebäude. Oben führt Hans-Norbert Gast durch die Räume, zeigt, was schon ausgestellt ist: Teile der jüngst angeschafften, einzigartigen Sammlung von Helmut Plunze, einem Sammler, der alles gehortet hat, was mit Rheinsberg zu tun hatte. Er hat die tausenden Exponate -das meiste lagert noch in gut hundert Kisten - für 50 000 Euro an den Verein verkauft. „Wir haben eine Historikerin jedes Stück bewerten lassen - sie sagte, alles zusammen ist mehr als 100 000 Euro wert“, erklärt Gast. Von den nötigen 50 000 Euro würden noch 20 000 fehlen: „Sie kommen erst hier raus, wenn wir die beisammen haben" , scherzt Gast. Die Besucher sind schwer beeindruckt, auch vom Hof, in dem man noch alte Gerätschaften sieht: Eissägen, Blaubeerkämme, Waschbretter, Reusen. Auch vom Stadtmodell anno 1742 und dem Original-Carmol-Schild. „Wir haben Dietmar Woidke schwer genervt wegen Fördergeldern" , erzählt Gast. „Schön habt ihr das gemacht" , sagt eine Besucherin. Ein paar Häuser weiter haben Ute und Schamil Gimajew das Maler-Atelier geöffnet. An den Wänden hängen Bilder aus vier Schaffensjahrzehnten Gimajews, die unterschiedlicher kaum sein könnten. „Erstaunlich" , sagt eine Frau. „Ich habe nur ein Leben - da will ich ja nicht immer im selben Stil malen" , sagt der Künstler dazu. Kubismus, Impressionismus, Expressionismus -zuviel -Ismus", sagt er. Sein Ismus sei Vielseitigkeit. Vieles habe ihn inspiriert. Auch die Wende. Sein Stück Kunst an der Berliner East-Side-Gallery zeugt davon. Im Gasthof Endler haben - zum dritten Mal - die Köpenicker „Fotofreunde Amtsfeld" ausgestellt und zeigen ihre Rheinsberger Ansichten: Details der Kirche, den Schlosskater Sheldon, einen Schwan auf dem Grienericksee, Straßenszenen. „Wir haben 2019 hier eine Fotosafari gemacht" , erklären Rainer Opolka und Rainer Kniesche stellvertretend für die 17 Fotofreunde. Im Hof zeigt Gastwirt Andreas Endler zum Trost den Klassiker „Die Feuerzangenbowle" und reicht selbige frisch gebraut auch an alle Kunstnacht-Besucher aus. Live-Malerin Silke Thal, die viele Jahre mit Farben und Papier bei Konzerten der Rheinsberger Kammeroper bei der Arbeit zu erleben war, stellt in der Amtsstube im Kavalierhaus aus. Sie freut sich schon, dass Frank Matthus 2022 wieder für die Kammeroper inszeniert. „Er hat mich damals geholt - das ist ein schöner Anreiz, im nächsten Jahr wieder vor Ort dabei zu sein und zu malen", sagt sie. Im Schlosstheater singen die Kammeroper-Preisträger Daniel Nicholson und Eunsoo Lee romantisches Liedgut. Kraftvoll vibrierend schillert der Bariton Nicholsons -voll Leidenschaft und manchmal schier wagnerianischer Wucht. Lees Sopran dagegen funkelt um die Wette mit ihrer glitzernden Abendrobe. Die rund 70 Gäste goutieren beides mit viel Applaus. Brechend voll mit knapp 100 Gästen ist zu vorgerückter Stunde die St. Laurentius Kirche: Hier zeigt die Kreismusikschul-Big-Band Big Brass, was man mit Blech. in der hallenden Kirchenakustik anrichten kann: „Wir passen auf, dass sie keinen Tinnitus bekommen" , beschwichtigt Leiter Harald Bölk, bevor die jungen Musiker und ein paar Lehrer ein paar der schönsten. Eitel aus dem in 20 Jahren stetig gewachsenen Repertoire präsentieren: satter Jazz, fein dargeboten, als würdiger Abschluss einer bunten Jacht der Künste.
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