Keramiker Hendrik Schink hat vor 20 Jahren das Keramikmuseum eröffnet und zeigt dort Rheinsberger Produkte
Regine Buddeke
(aus: Märkische Allgemeine; 26.05.2021)
Rheinsberg. „Ich habe sie jetzt alle -von der Null-Zweier bis zur großen Eins-Achter", sagt Hendrik Schink und seine Augen glänzen. Was er meint, ist die Rheinsberger Teekanne, der Exportschlager Rheinsberger Keramiktradition schlechthin. Sieben Großen gibt es - von 0,2 bis 1,8 Liter Füllmenge - eine hat ihm bislang immer noch gefehlt, nun stehen alle in Reih und Glied nach Größe sortiert im Regal. „Gänsemarsch", so nennt es Hendrik Schink. Ja, im Museum sei viel passiert. Schink meint damit nicht nur den Lockdown - seit er im November schließen musste, hat er viel geräumt, neue Exponate ergattert, etwa zwei wunderschone Jugendstil-Gefäße - „selbst ertrüffelt“, sagt er. Und er hat Pläne geschmiedet. Aber auch insgesamt hat er in den 20 Jahren, seit er das Museum betreibt, viel erlebt. „Kein Tag, an dem nicht irgendetwas passiert ist", sagt der Keramiker, der sein Handwerk an der Hallenser Burg Giebichenstein gelernt hat und seit 1992 in Rheinsberg seine „Galerie Zopf " betrieb. Um 2000 herum wurde das alte Feuerwehrhaus am Kirchplatz von der Stadt ausgeschrieben. „Mit der Idee, ein Keramikmuseum zu errichten, habe ich den Zuschlag bekommen“, erzählt Schink. Bis zur Eröffnung dauerte es allerdings noch ein wenig. „Das Haus war eine Bauruine " , erinnert er sich. „Eine Hölleninvestition. " Ein Jahr dauerten die Baumaßnahmen, erst dann konnten die Regale befüllt werden. Die erste Ausstellung im Galeriebereich - das Museum war noch nicht fertig - wurde eröffnet, da gab es weder Heizung noch Strom, vor den fehlenden Tren baumelten Plastikbahnen. Die Besucher durften Kerzen anzünden- es war am Ende sehr warm, erinnert sich Schink. Nun sind dort in rund 600 Exponaten 255 Jahre Rheinsberger Keramikgeschichte zu entdecken - „es gab in dieser Zeit acht bis neun Keramikfabrikbesitzer „, weil Schink. Davon gibt es heute nur noch zwei. Wie er an seine Exponate gekommen ist? Schink erzählt: „Ich war nach dem Studium Leiter der Abteilung Erzeugnisentwicklung im VEB Steingutfabrik Rheinsberg. Seine damalige Chefin habe ihm gestattet, ein Archiv für Rheinsberger Keramik aufzubauen. „Also habe ich gegraben und gesammelt. Dinge beim Trödler gekauft. Kollegen haben mir Keramik gebracht - einiges stand noch in den Büros herum. Das war mein Starterpack. " Und Hendrik Schink hatte Blut geleckt. „Nach und nach hat es mich gefesselt, was es alles gab. " Denn nach der Wende - zu DDR-Zeiten war das eher schwer - standen ihm die Archive offen. Seine Sammlung wurde größer. Er zeigt, wie die historische Fayencetechnik in Rheinsberg zum Teil von modernem Steinzeug abgelöst wurde - Alexander von Humboldt hat das in seiner Rheinsberger Zeit als Bergbeamter im Auftrag des preußischen Konigs zur Genüge beschrieben. Von 1792 bis 1798 beschäftigte sich der große Gelehrte mit Brennöfen für Keramik und Glas. 1792 führte der Forscher und Wissenschaftler auch in Rheinsberg Untersuchungen zur Keramikproduktion durch. Ein weiteres Glanzstück in Schinks Museum ist Keramik des Baumeisters Friedrich Gilly, einem Lehrer Karl-Friedrich Schinkels. „Lupenreiner Klassizismus " , schwärmt Schink von den zart-eleganten weißen Schalen. Ein paar Vitrinen weiter zeigt er auf schlicht-schwarzes Geschirr - es wurde einst für den „Waffenschmied " in Suhl entwickelt, das Lokal, das später Bekanntheit im Film „Sushi in Suhl" erlangte. Aber der Großauftrag kam nicht zustande, weil der „Waffenschmied vorher pleite ging" , weiß Schink. Er hat Fayencevasen, die von Kriegsgefangenen bemalt wurden und für den Export in die Schweiz bestimmt waren. „Die Nazis waren scharf auf die Devisen" erklärt er. Zwei aufwendig gestaltete Vereinsteller aus DDR-Zeiten sorgen laut dem Museums-Chef immer für Schmunzeln bei den Besuchern. Weiterhin zeigt er aber auch Keramik von Bewohnern der Werkgemeinschaft in Gildenhall oder Keramik der berühmten Hedwig Bollhagen, die ein paar Jahre auch einen Betriebsteil in Rheinsberg unterhielt. ' Ebenfalls zu sehen: ein echt englisches Teeservice - Made in Rheinsberg. Das damals total angesagte Geschirr konnte in Preußen weit billiger hergestellt werden. Wenn man genau hinschaut, erkennt man im Dekor allerdings auch Unterschiede in der Qualität. Die Frage, was mit all den Exponaten tun, stand für Hendrik Schink alsbald im Raum. „Die Idee eines Keramikmuseums kam zeitgleich mit der Ausschreibung des Gebäudes „, so Schink. Er eröffnete 2001 -den größten Teil nimmt das Museum ein, im vorderen Teil des Hauses befindet sich die Galerie, in der Schink seine eigenen Kreationen anbietet - er arbeitet gern mit Porzellan. Sogar den Turm hat er gestaltet und ein Hörspiel installiert. Da tummeln sich in der Höhe lebensgroße Pappmaché-Figuren: der Kronprinz Friedrich, die Prinzessin Amalie, Pollnow und ein Hahn- allesamt haben sie thematisch mit der Rheinsberger Keramiktradition zu tun - liefern sich ein zehnminütiges Zankgespräch darüber, wer denn die schönste Keramik fertigt. „Das kommt bei den Kindern, aber auch bei den Großen immer gut an“, weiß Schink. Der Keramiker öffnet sein Museum auch für Veranstaltungen - regelmäßig macht er bei der Rheinsberger Langen Nacht der Künste mit. Auch Musik gibt es bei ihm und Modenschauen, Vernissagen und Vorträge - meist im Rahmen der wechselnden Sonderausstellungen für Keramik. Aber auch Textilkunst gab es bei ihm schon zu sehen. Derzeit baut Hendrik Schink die Ausstellung komplett um und schafft Platz für Stücke aus der Sammlung von Helmut Plunze, der sich auf Rheinsberger Keramik spezialisiert hat und inzwischen Experte ist. Schink pflegt seit Jahren gute Beziehungen zu ihm: „Er freut sich, seine Stücke mal öffentlich zu zeigen", sagt er und ist selbst sehr froh darüber. „Er hat halt Stücke, die ich nicht habe. " Am 5. September soll die Schau eröffnet werden. „Das schenke ich mir selbst zum 20. Geburtstag des Museums." Info Öffnungszeiten und Preise unter: www.museum-rheinsberg.de. Bild oben Hendrik Schink mit einem Aschenbecher einer bekannten Keramikerin Bild unten links: Das ehemalige Feuerwehrgebäude beherbergt heute Galerie und Museum Bild unten rechts: Der „Gänsemarsch-die Rheinsberger Teekanne gab es in sieben Größen Bilder rechts von oben nach unten: Der Turm des Feuerwehrhauses hat Schink ebenfalls in Szenen gesetzt. Altes Stück: Fayence mit Chinoiserie von etwa 1772-87. Gefäße aus der Hand des Baumeisters Friedrich Gilly, dem Lehrer Schinkels. Bild unten: Selber ertrüffelt, so Schink: Keramik in lupenreinem Jugendstil Kommentar links: Die Idee eines Keramikmuseums kam zeitgleich mit der Ausschreibung des Gebäudes Hendrik Schink Keramiker und Betreiber des Keramikmuseums in Rheinsberg