Der Verein Stadtgeschichte möchte einen Eiskeller wieder erlebbar machen. Perspektivisch hat der Vorsitzende Jörg Möller größere Pläne.
Brian Kehnscherper
(aus: Ruppiner Anzeiger; 31.03.2021)
Jörg Möller, Vorsitzender des Vereins Stadtgeschichte Rheinsberg, möchte im Vereinsgebäude an der Ecke Seestraße/Kirchstraße ein Museum entwickeln. Bis die Vision Realität wird, dürften aber einige Jahre vergehen; Foto: Brian Kehnscherper
Auf dem Hof des Rheinsberger Hauses der Stadt-geschichte an der Ecke Seestraße/Kirchstraße stand einst eine Schlachterei. Die Fleischerei, die in den heutigen Räumen des Bestattungsunternehmens ihren Verkaufsraum hatte, zerlegte dort die Tiere. Der Verein Stadtgeschichte Rheinsberg hat den Schlachtraum bereits saniert und mit alten Hackbeilen an der Wand und der Rinne, in der das Blut ablief, die ehemalige Nutzung wieder rekonstruiert. Nun soll ein Stockwerk tiefer saniert werden.
Eiskeller wird rekonstruiert Der Raum unterhalb des Schlachtraums soll hergerichtet werden, sagt der Vereinsvorsitzende Jörg Möller. Und auch der benachbarte ehemalige Eiskeller einige Stufen tiefer soll wieder rekonstruiert werden. Mehrere bauliche Arbeiten hat der Verein bereits verrichtet. So mussten neue Stahlträger eingezogen werden, um die Decke des Eiskellers, auf der die Mauer der Schlachterei steht, abzustützen. Durch die große Feuchtigkeit beim Schlachtbetrieb ist der alte Stahlträger sichtbar durchgerostet. In diesem Raum möchte Möller darstellen, wie in Zeiten, bevor es Kühlschränke gab, Lebensmittel kühl gelagert worden sind. Noch heute ist die Luke in der Decke zu erkennen, durch die die Eisblöcke in den Keller hinabgelassen wurden. „Die Blöcke sind mit Sägen aus dem Grienericksee geschnitten worden", so Möller. Der Verein hat noch originale Eissägen aus jener Zeit, die in dem Raum ausgestellt werden sollen. Auf Infotafeln soll zudem vermit-telt werden, wie das Kühlen funktioniert hat: Der Raum ist von drei Mauern mit Luftkammern umgeben. Diese Luftkammern sorgten für die Isolation des Kellers, sodass die Kälte nicht entweichen konnte beziehungswei-se keine Wärme von außen ein-drang.
in Die Blöcke « sind aus dem Grienericksee geschnitten worden. Wir nähern uns unserem Ziel langsäm. Jörg Möller Vorsitzender Verein Stadtgeschichte Insgesamt 33.000 Euro kostet die Neugestaltung des Eiskellers. Der Verein hat bereits eine Zusage auf Fördermittel vom Bund. Über die Höhe des Zuschusses möchte Möller nichts sagen. Zu-dem hat der Landkreis Kulturmit-tel in Höhe von 2700 Euro bewilligt. Möller hofft auf weitere Zuschüsse von der Sparkasse. Wenn alles klappt, sollen der Eiskeller und der Vorraum im dritten Quartal dieses Jahres fertig sein. Vier historische Schwerpunkte Im Vorraum des Kellers möchte Möller Tafeln aufstellen, die auf die vier Säulen hinweisen, denen sich der Verein widmet: die historische Entwicklung Rheinsbergs vom Mittelalter über die Neuzeit bis in die Gegenwart, die 250-jährige Geschichte der Keramikproduktion in der Stadt, die Geschichte des Carmolwerks, in dem pharmazeutische Produkte hergestellt wurden, und die Geschichte des Kernkraftwerks. Bei Letzterem möchte Möller sich eher auf die Auswirkungen des Kraftwerks auf die Stadtentwicklung als auf die technischen As-pekte der Kernenergie konzentrieren. Schließlich entstand für die Mitarbeiter des Werks ein kompletter Stadtteil, die sogenannte KKW-Siedlung. Die Darstellung dieser vier Themengebiete verweist auf ein viel weiter reichendes, großes Projekt des Vereins. Denn mittel-fristig hofft Möller, in dem Vereinsgebäude ein Museum mit Ausstellungsräumen auf zwei Etagen einzurichten. An Exponaten mangelt es nicht. Allein die Keramikgeschichte der Stadt bietet zahlreiche Ansatzpunkte. „Rheinsberg war um 1800 die größte Kera-mik-Produktionsstätte Preußens", so Möller. Und auch das Carmolwerk hat eine Vielzahl von Produkten hergestellt, die sich zeigen ließen. Hinzu kommen Blechschilder und mehr. Langer Weg bis zur Umsetzung Doch bis die Vision Wirklichkeit werden kann, ist noch ein langer Weg zu gehen. Fünf Jahre lang muss der Verein den Kredit abzahlen, den er für den Erwerb des Hauses der Stadtgeschichte auf-genommen hat. Um diesen zu til-gen, vermietet er einen Teil des Objekts. Auch die Verträge müs-sen berücksichtigt werden. Hin-zu kommen beträchtliche Baukos-ten. Immerhin soll auf dem Hof des Hauses ein Fahrstuhl eingerichtet werden, damit das Muse-um auch barrierefrei ist. Zudem müssen sanitäre Anlagen geschaf-fen werden. Und auch die Flucht und Rettungswege müssen vorhanden sein. Das Depot und Archiv sollen im Dachgeschoss unterkommen. „Wir nähern uns unserem großen Ziel langsam, Schritt für Schritt", sagt Jörg Möller. So habe es der Verein auch bisher gehalten. Bis es soweit ist, bleibt zu-mindest der kleine Ausstellungsraum an der Seestraße, um Besucher auf Themen zur Stadtge-schichte aufmerksam zu machen. Derzeit sind dort noch Exponate zu den 1920er-Jahren in Rheinsberg zu sehen. Ab Mai ist eine Ausstellung zur Industriege-schichte in der Prinzenstadt geplant. Diesem Thema widmet sich auch der diesjährige Kalender des Vereins. bk