Reyk Grunow
(aus: Märkische Allgemeine; 28.07.2020)
Ein Kraftwerk fürs Museum
Teile des Kernkraftwerkes Rheinsberg könnten Kern einer neuen Ausstellung im Deutschen Technikmuseum in Berlin werden. Noch weiß aber niemand, wann die Objekte dort ausgebaut werden können
Neuruppin. Das Kernkraftwerk Rheinsberg könnte als Beispiel des Glaubens an die Atomenergie in ganz Deutschland ins Museum kommen. Das Deutsche Technikmuseum in Berlin hat Interesse, einige Teile aus Rheinsberg für eine neue Ausstellung zur Kernkraft zu übernehmen. Zwischen den Entsorgungswerken für Nuklearanlagen (EWN) als Betreiber des Kraftwerkes und dem Technikmuseum in Berlin gab es mehrere Gespräche über eine Zusammenarbeit, sagt Jochen Hennig vom Deutschen Technikmuseum. Er befasst sich mit der Konzeption der neuen Ausstellung. Seit Jahren gibt es die Idee, die so genannte Blockwarte als zentrale Steuerung aller Anlagen nach dem Abriss des Kraftwerkes für die Nachwelt zu erhalten. Jörg Möller, der frühere Pressesprecher des Kernkraftwerkes und Vorsitzende des Stadtgeschichtsverein in Rheinsberg, hat lange von einem eigenen Museum zur Kernenergie in Rheinsberg selbst geträumt. Die Blockwarte stellte er sich als Kern der Ausstellung in Rheinsberg vor. Auch, weil sie zur DDR-Zeiten jedes Kind kannte. Zumindest kannte jeder ein Bild der Anlage: Es war seit den 1970er Jahren auf der Rückseite des Zehn-Mark-Scheins der DDR abgebildet. Das Kernkraftwerk, das 1966 als eines der ersten Atomanlagen in ganz Deutschland in Betrieb ging, für den wissenschaftlichen-technischen Fortschritt. Seit der Wende ist das Kernkraftwerk im Wald bei Rheinsberg zwischen Stechlin und Nehmitzsee abgeschaltet. Seit den 90er Jahren wird die Anlage Schritt für Schritt abgebaut. Wird das erste Kernkraftwerk der DDR irgendwann vollständig verschwinden? Was bleibt davon? Fest steht im Moment nur: Ein eigenes Museum wird es in Rheinsberg dazu nicht geben. „Das kann gar keiner bezahlen“. sagt Jörg Möller inzwischen klar. Er setzt auf die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Technikmuseum. Dort könnte in einer Ausstellung der technische Aspekt der Atomanlage dargestellt werden. Der Stadtgeschichtsverein würde sich um die Auswirkungen des Kraftwerkes mit mehreren hundert Mitarbeitern auf die Stadt und die Region kümmern. „Wir arbeiten mit dem Verein gut zusammen“, bestätigt Jochen Henning vom Deutschen Technikmuseum. Grundsätzlich könnte auch er sich eine solche Aufteilung vorstellen. „Wir hätten schon Interesse, Teile aus Rheinsberg zu übernehmen „, sagt Hennig. „Dabei geht es nicht nur um die Blockwarte“. Doch dazu müssen noch viele Probleme geklärt werden. Eines davon: Wann sind die Objekte überhaupt verfügbar? Wann könnten sie ins Museum? Auch wenn das Kernkraftwerk seit 30 Jahren außer Betrieb ist, wird die Blockwarte dort noch heute gebraucht. Sie steuert noch immer wichtige Bereiche auf dem Werksgelände, auch wenn es dort längst keinen Reaktor mehr gibt. Der Abbau des Rheinsberger Kernkraftwerkes ist viel aufwändiger und langwieriger als noch vor 10 Jahren gedacht. Bisher weiß niemand, wie lange er dauern wird. Inzwischen rechnen die EWN als Betreiber damit, dass der Rückbau irgendwann um 2035 beendet sein könnte, vielleicht aber auch später. Damit die alte Blockwarte ausgebaut werden kann, müsste erst einmal eine neue Anlage her, die die Steuerung von Strom, Lüftung, Wasserleitungen in dem Werk übernimmt. So eine Leitwarte wird gerade geplant, sagt Marlies Philipp, die Sprecherin der EWN-Zentrale in Greifswald. „In diesem Jahr wird die neue Leitwarte auf keinen Fall gebaut, auch im nächsten Jahr nicht“, sagt sie. Was danach kommt, sei zurzeit noch nicht sicher. Das Technikmuseum hat noch ein Problem. Wie kriegt man die Blockwarte in Rheinsberg eigentlich ausgebaut? Es handelt sich um komplexe Einbauten in einem großen Raum. Um sie herauszubringen, müsste die Blockwarte in kleine Teile zerlegt werden, um sie durch die schmale Eingangstür zu bekommen. Im Museum müsste sie dann wieder zusammengesetzt werden. Das ist extrem aufwändig und teuer. Zumal das Technikmuseum nicht nur das Gehäuse der Anlage zeigen wollte, sondern auch die komplexe Technik der 60er Jahre, die in den Schaltschränken und hinter den Schalttafeln steckt. Wer soll Auf- und Abbau bezahlen? Die EWN sind ein Tochterunternehmen des Bundes. Sie rechnen schon jetzt mit Kosten von wenigstens einer Milliarde Euro für den Rückbau des Kernkraftwerkes. Da ist von Umbauten fürs Museum noch keine Rede. Marlies Phillip ist trotzdem optimistisch: „Dafür würde sich schon eine Lösung finden“, sagt sie. Noch ist Zeit, danach zu suchen. Viel Zeit