Der Verein Stadtgeschichte Rheinsberg baut sich weitgehend aus eigener Kraft ein eigenes Museum auf – derzeit widmet er sich den Räumen der einstigen Fleischerei
Reyk Grunow
(aus: Märkische Allgemeine; 19.05.2020)
Rheinsberg Im Moment sieht noch alles nach Baustelle aus. Jörg Möller weiß aber schon genau, wie sich der Kellerraum verändern wird. Wo es momentan nicht einmal einen ordentlichen Fußboden gibt, wird in den nächsten Monaten einer der Höhepunkte im Museum des Vereins Stadtgeschichte Rheinsberg entstehen: ein Raum für kleine Feiern, zum Zusammensitzen und Reden, um sich auszutauschen. Tausende Euro haben die Mitglieder des Rheinsberger Vereins in den vergangenen Jahren schon in ihr Museum an der Ecke See- und Kirchstraße gesteckt und mindestens ebenso viele Arbeitsstunden. Auch in diesen Tagen legen die Männer und Frauen wieder überall Hand an. Der Verein hat sich vor 16 Jahren gegründet, um die Rheinsberger Stadtgeschichte zu erforschen. Genauer: einen Teil davon. „Die Geschichte des bürgerlichen Rheinsberg“, sagt Jörg Möller, der Vorsitzende. Über Rheinsberg als zeitweiligen Wohnort des damaligen Kronprinzen Friedrich und seines Bruders Heinrich wurde schon sehr viel geforscht und geschrieben, über die Geschichte des adligen Rheinsberg also. Aber die Stadt hat auch eine Geschichte jenseits der Hohenzollern, außerhalb des Schlosses und seines Parks. Diesen Teil will der Verein ausgraben und wieder erlebbar machen: Das bürgerliche Rheinsberg. „Uns war immer klar, dass das eigentlich nur ohne die Stadt geht“, sagt Jörg Möller. Das kleine Rheinsberg ist mit dem Tucholsky-Literaturmuseum und den anderen Einrichtungen mehr als genug belastet. Das Haus in der Seestraße 22 finanziert der Verein deshalb weitest gehen aus der eigenen Tasche. Ein Teil des rund 240 Jahre alten Gebäudes ist vermietet, unter andrem an ein Bestattungshaus und an die früheren Eigentümer, die dort weiterhin wohnen. Die Mieteinnahmen reichen aus, um die Raten für den Kredit zu bezahlen, den der Verein brauchte, das Gebäude zu erwerben. Dank vieler Spender konnte der Stadtgeschichtsverein vor Jahren unter dem Dach der Sparkassenstiftung eine eigene Stiftung ins Leben rufen. Die wirft genügend Geld ab, um die Betriebskosten für das Stadtgeschichtshaus an der Seestraße zu bezahlen. Die laufenden Kosten sind damit weitgehend gedeckt. Was die 125 Vereinsmitglieder da in Rheinsberg entwickeln, ist außergewöhnlich. Zweimal war Ministerpräsident Dietmar Woidke schon vor Ort und hat sich das Projekt zeigen lassen. Vom Land gab es finanzielle Unterstützung. Das Vereinshaus bietet genügend Platz für kleinere Ausstellungen. Im Moment läuft eine über den Besuch Alexander von Humboldts 1792 in Rheinsberg. Er war damals als junger Bauassessor beauftragt zu untersuchen, wie sich die für Preußen so wichtige Keramikproduktion in Rheinsberg verbessern lässt. Das Haus bietet aber auch Platz für das umfangreiche Archiv und ein Büro, in dem vielen Originaldokumente für die Datenbank erfasst werden können, die der Verein zur Geschichte Rheinsbergs ins Internet gestellt hat. Weit über 100000 Einträge hat das frei zugängliche Internetarchiv bereits und wird immer weiter ausgebaut. Die Idee, ein Museum extra für das Kernkraftwerk mit der ehemaligen Blockwarte als Mittelpunkt aufzubauen, musste der Verein Stadtgeschichte verwerfen. Das wäre viel zu teuer geworden. Die Blockwarte des Kernkraftwerkes soll jetzt ans Technikmuseum in Berlin gehen, sagt Möller. Wer etwas zur Geschichte der Kernenergie Deutschland wissen will, kann sich dort informieren. Der Stadtgeschichtsverein wird sich darauf konzentrieren, welche Folgen der Bau des Kernkraftwerkes für Rheinsberg hatte. Doch das kommt später. Im Moment geht es erst einmal darum, einen anderen Teil der Stadthistorie wieder sichtbar zu machen. „Vor 100 Jahren gab es hier im Haus eine Fleischerei“, sagt Jörg Möller. Hinten auf dem Hof sind noch Reste des Betriebes zu sehen – der Raum, in dem die Tiere einst geschlachtet wurden, etwa. Und darunter ein Kellerraum, in dem wohl die Würste zum Trocknen hingen. Mit viel Aufwand haben die Mitglieder wieder freigelegt, was noch zu retten war. In den Räumen will der Verein künftig sich selbst und seine Projekte mit einer Ausstellung präsentieren. Gleich nebenan liegt der Eiskeller. „Das ist einer der letzten Eiskeller, die es noch gibt“, sagt Möller. Einst wurden dort unter der Erde Eisblöcke eingelagert, die im Winter aus dem gefrorenen Wasser des Grienericksees geschnitten wurden. Über eine Luke auf dem Hof konnten die Blöcke in den Keller rutschen, wo sie aufgestapelt wurden. Das Eis hielt sich über viele Monate. Viel Arbeit und Geld hat der Stadtgeschichtsverein schon in die historischen Nebengebäude auf seinem Grundstück gesteckt. Dicke Stahlträger stützen die Decke des Eiskellers und die Gebäudeteile darüber inzwischen. In den nächsten Monaten sollte aus dem einstigen Eiskeller ein Raum für Feiern werden. Ursprünglich hatten die Vereinsmitglieder gehofft, bis zum Jahresende fertig zu sein, sagt Jörg Möller. Inzwischen ist klar, dass daraus wohl nichts wird. Der Eiskeller wurde eins mit dreifachen Wänden und dazwischenliegenden Luftschichten zur Isolation gebaut. Die alte Öffnung fürs Einlagern der Eisblöcke in der Kellerdecke gibt es bis heute. Doch die Wände des Eiskellers sind feucht. Vor wenigen Tagen hat eine Fachfirma untersucht, wie man sie trocken legen könnte. Ergebnis der Prüfung: „Das würde rund 30000 Euro kosten“, sagt Möller. 30000 Euro, die so nicht eingeplant waren. Um alles fertigzustellen, was jetzt begonnen wurde, sind noch weitere 20000 Euro nötig, schätzt der Vereinschef. Zusammen also 50000 Euro. Entmutigen lässt sich der Verein davon nicht. Es geht weiter. „Stück für Stück“, sagt Jörg Möller.