Celina Aniol
(aus: Märkische Allgemeine; 13.08.2020)
Im Gefolge Ihrer Majestät
Mit launiger Entdeckungstour erinnert der Verein Stadtgeschichte Rheinsberg an den Einzug Friedrichs, ein Fest zu seinen Ehren, einen gestrandeten BMW und an 100 Jahre eines Männerchors
Von Celina Aniol
Rheinsberg. Die Gehstöcke schrauben sich gleichmäßig in den Kies. Der Adjutant und der Kammerherr schreiten voran. Die Damen versuchen, mit ihrem zarten Sonnenschirm über die Perücken die Hitze bei Laufen abzuhalten. Der Gehrock Friedrichs weht leicht im Wind. Für die Kameras hat der Kronprinz dennoch ein gnädiges Lächeln übrig, als der Tross hinter ihm die perfekte Kulisse für ein Foto erblickt. Staatsmännisch schreitet er vors Schloss, wirft sich in Pose. Die Rheinsberger und die Gäste der Stadt, manche mit Flipflops, manche im Sonntagskleid, zücken dankbar ihre Handys. Wie aus der Zeit gefallen wirkt Friedrich in dieser Szene- und ist es auch. „Ihre Majestät, erinnern sie sich noch“? fragt sein Adjutant in weißer Rokokokleidung. Hans-Norbert Gast vom Verein Stadtgeschichte Rheinsberg spielt ihn an diesem Dienstagabend. Gast und seine sechs Mitstreiter, die sich kostümiert als Hofgesellschaft um ihn scharen, wollen an das Jahr 1736 erinnern, als der damals noch junge Fritz in Rheinsberg einzog. Und das Fest „Tage von Rheinsberg“, das 200 Jahre nach diesem Ereignis gefeiert wurde. Zwischen 1936 und 1939 haben die Rheinsberger jährlich im August diese mehrtägige Fete steigen lassen. Etwa 60 von ihnen haben sich damals eigens für diesen Anlass Kostüme besorgt, schätzt Gast. Es gab Konzerte, Aufführungen von Schäferspielen und Rokokobalett, Umzüge, Tanzabende, die um 4 Uhr morgens endeten. Und selbstredend wurde der Einzug von Friedrichs mit der Kutsche in die Stadt nachgestellt. Das Fest spielt allerdings bei dieser Ausgabe der allmonatlichen Vorträge des Vereins nur eine Nebenrolle. Beim Spaziergang im Schlosspark führt Hans-Norbert Gast die rund 60 Besucher auch leichtfüßig an die Entstehungsgeschichte der Lieblingsresidenz Friedrichs heran, parliert leger über den Musenhof seines Bruders Heinrichs, der später nach Rheinsberg zieht, gibt launig Anekdoten über das Hofleben der damaligen Zeit und die Zeit der Wiederentdeckung der Schlossanlage nach der Wende zum Besten. Da geht’s um die Geldnöte Heinrichs, der legendär hässlich, aber ausgesprochen belesen und dadurch so beliebt gewesen sein soll, dass ihm gekrönte Häupter Europas mit Scheinen aus der Patsche halfen, nur damit er länger bei ihnen verweilt. Um die 500 Ananasstauden, die im 18 Jahrhundert unweit des Schlosses reiften. Um die Versuche, den früheren und nunmehr zugeschütteten Karpfenteich wieder auszugraben, die aber an Munition Hinterlassenschaften einer in Rheinsberg stationierten SS-Einheit scheiterten. Oder auch um die Story, als ein Westberliner BMW-Fahrer Anfang der 90er direkt vors Schloss vorfahren wollte und an der Treppe auf der Allee dorthin unsanft hängen blieb. Denn diese ist vom Gartenarchitekten so trickreich angebracht worden, dass man von dem Höhenunterschied im Gelände erst sehr spät etwas mitbekommt- oder auch eben nicht, wenn man sich mit einem Schlitten zu schnell auf dem Gelände bewegt. Gast wedelt mit einen Beweisfoto des gestrandeten Autos in der Luft- und erntet, wie so oft während des Streifzugs, Gekicher und staunende Ach-schau-mal-einer-an Rufe. Und dass, obwohl etwa die hälfte seiner Zuhörer aus Rheinsberg und Umgebung stammen. Das Interesse genauso wie Spenden können die Vereinsmitglieder nach einer mehrmonatigen Corona-Zwangspause bei ihren Vorträgen brauchen, das geben sie zu. „Wir haben durch die Krise enorme Schwierigkeiten, unser Haus zuhalten“, stellt Gast klar. Er wirbt auch gleich für den nächsten Themenabend, bei dem die Zuhörer Anfang September in die Goldenen Zwanziger Rheinsbergs an Originalgrammophonen entführt werden sollen. Über Aufmerksamkeit freut sich an diesen Abend auch der Rheinsberger Arbeitergesangsverein „Vorwärts“, der am Ende der Tour mit einen Überraschungsauftritt im Heckentheater des Schlossparks aufwartet. Und zwar ganz besonders. „Das ist unser erstes Konzert in diesem Jahr“, sagt Siegfried Schweitzer, der den Männerchor leitet. Denn auch in dieser musste wegen der Infektionsgefahr pausieren: ausgerechnet in diesem Jahr, in dem er seinen 100. Geburtstag feiert. Das große Sängerfest mit vielen befreundeten Ensembles im Frühjahr fiel ebenfalls aus. Dasselbe gesungene Ständchen schein kein adäquater Ersatz. Und die Gäste klatschen laut. „Es war ein richtig schöner Abend mit einem richtig runden Abschluss“, lobt Claudia Lede. Sie und ihr Mann Andre aus Magdeburg, die ihren Urlaub am großen Pälitzsee verbringen, sind mit ihren beiden Kindern und Eltern da. Ihre achtjährige Tochter Greta hat sie zu dem Besuch überredet, als sie die Plakate mit der Rokokokleidung sah. Für die Erwachsenen waren die Kostüme eher ein schönes Beiwerk. Denn Lob gibt es für etwas anderes. „Man merkt, dass die Leute das mit Liebe und Lust machen“, sagt Claudia Lede. „Und, dass sie es können.“