Reyk Grunow
(aus: Märkische Allgemeine; 01.12.2019)
Der Abbau des Kernkraftwerkes Rheinsberg ist offenbar komplizierter als bisher angenommen. Zuletzt war vorgesehen, dass die Anlage am Stechlinsee bis 2025 verschwinden soll. Doch dieser Zeitplan ist nicht einzuhalten, bestätigt der Projektleiter Jörg Möller vom Entsorgungswerk für Nuklearanlagen (EWN) jetzt auf Nachfrage. Wie es weitergehen soll, ist derzeit noch ungewiss. Das bundeseigene Unternehmen EWN betreibt das Kernkraftwerk seit den 90er Jahren und kümmert sich seitdem um den Abbau. Die Kernbrennstäbe, der Reaktor und andere strahlende Teile wurden in den vergangen Jahren schon weitgehend abgebaut und erst ins geplante Endlager nach Morsleben und später in das Zwischenlager für radioaktive Abfälle nach Lubmin bei Greifswald gebracht. Anfang 2016 hatte die EWN ein Konzept vorgestellt, wie auch die Gebäude, die mit Radioaktiver Strahlung in Kontakt kamen, abgebaut werden könnten. Dazu war es unter anderem vorgesehen, um das einstige Reaktorgebäude eine Hülle zu errichten, damit das alte Gebäude im inneren sicher zerlegt werden können. Die EWN hatte angekündigt, zusätzlich zu den derzeit 120 Mitarbeitern bis zu 100 weitere einzustellen. Dieser plan ist inzwischen vom Tisch. „Die Aufgaben haben sich als wesentlich komplexer und langwieriger herausgestellt als angenommen“, sagt Jörg Möller: „Die EWN geht nicht mehr davon aus, dass bis 2025 alles abgeschlossen sein wird“. Seit Monaten arbeiten die Experten des Unternehmens an einem neuen Zeitplan. „Derzeit führen wir eine erneute Revision durch“, sagt Möller. Erst wenn die abgeschlossen ist, kann ein anderes Konzept für den Abbau der restlichen Anlagen erstellt werden. Jörg Möller rechnet damit frühestens Ende des Jahres oder Anfang 2020. Erst dann wird sich klären, wie viele Mitarbeiter in den nächsten Jahren im Kernkraftwerk gebraucht werden. Davon dürften auch die Kosten vom Abbau abhängen. Zuletzt war die EWN von rund einer Milliarde Euro ausgegangen. Weiter unklar ist zurzeit auch, was aus den ehemaligen Blockwarten wird, von der aus dem gesamten Kraftwerk gesteuert wurde und noch heute wird. Der ursprüngliche Plan sah vor, parallel zur alten Blockwarte eine neue Leitzentrale zu bauen und die noch benötigte Steuertechnik für Stromversorgung, Wasser, Abwasser und Lüftung dorthin zu verlegen. Die alte Warte sollte danach abgebaut werden. Einst war die Blockwarte in ganz Ostdeutschland bekannt; ein Bild der Anlage zierte den 10-Mark-Schein der DDR. Einen Antrag, die Anlage unter Denkmalschutz zu stellen, hat das zuständige Amt abgelehnt. „Die Behörde hält die Blockwarte grundsätzlich für denkmalwürdig“, sagt Jörg Möller, der auch Vorsitzender des Rheinsberger Vereins Stadtgeschichte ist. Aber als offizielles Denkmal könnten nur technische Anlagen eingetragen werden, die an ihrem originalen Ort bleiben, hatte der Geschichtsverein von der Behörde erfahren. Die Blockwarte kann jedoch nicht am Originalplatz bleiben, denn der soll früher oder später abgerissen werden. Der Geschichtsverein hatte deshalb die Idee, in Rheinsberg ein Museum zum Kernkraftwerk mit der Blockwarte im Mittelpunkt aufzubauen. „Die Fachhochschule Potsdam hat dafür ein sehr schönes Museumsdesign entwickelt“, sagt Jörg Möller. Der Bau des Museums würde rund 7 Millionen Euro kosten, so die Schätzungen. Die hat weder der Verein noch die Stadt Rheinsberg oder der Landkreis. Die Idee eines eigenen Museums ist damit gestorben. Inzwischen gibt es Gespräche mit dem Technikmuseum Berlin, die Blockwarte aus Rheinsberg möglicherweise dort zu zeigen.