Celina Aniol
(aus: Märkische Allgemeine; 26.05.2020)
Nur 13 Menschen vom Transport Nr. I/72 haben ihren Zwangsaufenthalt in Theresienstadt überlebt. Auch Ida und Felix Weinstock haben es geschafft. Was sie dort erlebt haben, war schrecklich. „Worte sind zu arm, um das Leid der Todesangst zu schildern“, beschrieb Felix Weinstock später den Überlebenskampf im Konzentrationslager der Nationalsozialisten. Er sprach von „Unmenschen mit Peitschen und Stöcken“. Von Menschen, „die zu Tode gequält wurden“. Bis ins Detail zeichnet Peter Böthig, der zur Geschichte von Juden in Rheinsberg ein Buch geschrieben hat, an diesem Montagmittag das Schicksale des Ehepaars nach, das 1942 aus Rheinsberg deportiert wurde. Das schon zuvor Drangsale und Demütigungen in seiner Heimatstadt erlebt hatte. Im dortigen Rathaus interniert war. Und das nach dem Krieg erfolglos die Rückgabe seines Haab und Guts verlangte. Dann nimmt Böthig zwei Pflastersteine und lässt diese in den Boden vor dem Haus in der Langen Straße 19 ein. Dort, von wo aus Ida und Felix Weinstock nach Theresienstadt verschleppt wurden. Die Schläge mit dem Hammer hallen laut. Etwa 50 Menschen schauen zu. Schweigend. Und andächtig. Dann legen viele von ihnen Rosen auf die glänzenden Messingplatten mit den Namen der Opfer des Nationalsozialismus. An drei Stellen werden an diesem Tag in Rheinsberg die kaum zehnmal zehn Zentimeter großen Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig verlegt. In der Schloss Straße 9 erinnert nun auch eine Tafel im Boden an Rosa Hirschfeld, die gedemütigt und entrechtet wurde. In der Berliner Straße 12 eine an Ida Hirschfeld, die in Theresienstadt ermordet wurde. Es sind die ersten in der Stadt. Weitere neun werden am 13.Oktober an der Seepromenade und in der Dr.-Martin-Henning-Straße verlegt. Eigentlich sollten diese ebenfalls jetzt schon in den Boden eingelassen werden. Die Familien der Menschen aber, an die durch die Steine erinnert wird, wollten allerdings unbedingt dabei sein, berichtet Böthig. Wegen Corona konnten sie jetzt aber nicht anreisen. Auch Gunter Demnig, der mittlerweile 75.000 Stolpersteine in ganz Europa in den Boden eingelassen hat und der normalerweise bei Erstverlegungen in einem Ort immer dabei ist, hat deswegen abgesagt. Die Idee, sich Demnigs Aktion anzuschließen, hatte Peter Böthig bereits vor Jahren. Seit einiger Zeit unterstützt der Rheinsberger Pfarrer Christoph Römhild den Leiter des Kurt-Tucholsky-Literaturmuseums dabei. Er ist es auch, der vor der Verlegung der Stolpersteine eine Parallele zwischen dem Nazi-Wirken und dem heutigen Aufflammen von Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft zieht und den Gestus dieser Art des Gedenkens den Zuschauern nahe bringt.“ Die Stolpersteine bringen uns aus dem Tritt“, sagt Römhild. Sie Zwingen zum Anhalten. Zum Innehalten. „Wir brauchen manchmal dieses Stolpern.“ Das gedankenvolle Straucheln, damit die Schicksale von Menschen wie Ida und Felix Weinstock oder Ida und Rosa Hirschfeld nicht vergessen werden.