Verein arbeitet das städtische Leben in Rheinsberg als Pendant zum höfischen Leben auf
Dagmar Simons
(aus: Märkische Allgemeine; 04.11.2009)
Mit der Geschichte des Schlosses Rheinsberg und seiner Bewohner haben sich schon viele beschäftigt. Die Geschichte der Stadt dagegen geriet ins Hintertreffen. Dem will der Verein Stadtgeschichte Rheinsberg abhelfen.
RHEINSBERG
Die Idee, einen Verein zu gründen, kam bei einer Faschingsveranstaltung. Sie entstand sozusagen aus einer Schnapslaune heraus, sagt Jörg Möller, Vorsitzender des Vereins Stadtgeschichte Rheinsberg. Mehrere Prinzenstädter fanden, dass zwar die höfische Geschichte, nicht aber die städtische gut bearbeitet sei. „Da ist vieles den Bach runtergegangen", sagt Möller. Das wollten sie ändern. Zunächst dachten sie daran, sich als Untergruppe dem örtlichen Kunst- und Kulturverein anzuschließen. „Doch unsere Ziele waren nicht identisch", sagt der Vorsitzende.
So gründeten sieben Mitglieder am 4. Mai 2004 einen eigenen Verein: den Verein Stadtgeschichte Rheinsberg. Am Anfang stand die Frage, wie sie ihre Arbeit gestalten sollten. Schnell einigten sie sich, die heutige Technik zu nutzen. Gründungsmitglied Holger Pfeifer hat die Datenbank aufgebaut, in der Bücher, Bilder und eine Rheinsberger Chronik eingegeben wurden. Alles, auf dem Rheinsberg draufsteht – ob Lehrbrief oder Fleischerrechnung – wird gescannt und im Computer gespeichert.
Bei Tagungen merkten die Vereinsmitglieder, dass sie keine Gleichgesinnten fanden. „Den Spleen mit der Datenbank hatte keiner", sagt Möller. Deshalb wandten sie sich an das brandenburgische Kulturministerium mit dem Erfolg, dass ihre geschichtliche Internetbank jetzt als Musterbeispiel zur Nachnutzung anderer Gemeinden aufgebaut wird – unter fachlicher Begleitung.
Das zu sichtende Material stapelt sich. Rheinsbergs Ehrenbürger Günter Modrow und der ehemalige Kantor Erich Goßmann allein haben meterweise Material hinterlassen, so Möller. Da die Vereinsmitglieder das nicht alles allein bewältigen können, stehen ihnen zurzeit drei ABM-Kräfte zur Seite.
Die Arbeit des Vereins findet nicht nur im stillen Kämmerlein statt. Jährlich gibt es beispielsweise eine Ausstellung. In diesem Jahr ist die Stadtentwicklung Rheinsbergs als Dauerausstellung in der Rhinpassage zu sehen. 2008 gab der Verein seinen ersten Kalender heraus. Anfänglich hatten die Mitglieder mit einem Verkauf von nur 60 Stück gerechnet. Es wurden 300. Inzwischen hat sich die eigene Bindemaschine amortisiert. Der Kalender für 2010 ist fertig und für 9 Euro erhältlich.
„Wir gucken immer, wo wir Unterlagen finden", sagt Möller. So entdeckten Vereinsmitglieder unter anderem in der Staatsbibliothek. Rheinsberg hatte von 1896 bis 1945 eine eigene Zeitung. Exemplare von 1925 bis 1945 sind dort archiviert, teilweise aber in so einem schlechten Zustand, dass sie nicht mehr gescannt werden können. Was tun? Der Verein nahm Kontakt zum Fraunhofer Institut auf. Dieses stabilisiert jetzt in einem Pilotprojekt 18 000 Seiten. „Darüber hat sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet", sagt Möller.
Trotz der vielen Arbeit gehen dem Verein die Ideen nicht aus. „Wir haben inzwischen so viel gesammelt. Wir müssten Ausstellungsräume haben", sagt der Vereinschef. Die Post stand zum Verkauf. „Doch bei den Kosten haben wir kalte Füße gekriegt." Aber da wäre ja noch die Remise. Die Stadt Rheinsberg will vier Häuser rekonstruieren, darunter auch die Remise. Das wäre ein Schaufenster direkt am Schloss, so Möller. Über eine mögliche Verwendung wird diskutiert. Den oberen Teil könnte die Stadt als Archiv nutzen, die eine Hälfte des unteren Teils der Verkehrsverein. Für den anderen Teil hätte der Stadtgeschichteverein bereits eine Verwendung: einen Ausstellungsraum. „Das wäre für beide ein Gewinn", sagt Möller. Das Konzept steht und wurde bereits dem Ortsbeirat vorgestellt. Ob die Stadt hinter diesem Modell steht, klärt sich demnächst.Trotz knapper Kassen wird der Verein von Stadt und Ortsbeirat unterstützt. „Das sehen wir als Anerkennung unserer Arbeit", so Möller.
Er und seine Mitstreiter freuen sich über jeden, der ihnen hilft. Bisher steigt die Zahl der Mitglieder jährlich um fünf an. Arbeit hat der Verein genug. Deshalb beschränkt er sich auch auf die Kernstadt Rheinsberg.