Im 19.Jahrhundert drei Mühlen in Rheinsberg
Eckhard Bartel
(aus: Märker; 12.10.2013)
Zur Verarbeitung des Getreides standen Rheinsberg über Jahrhunderte mehrere Mühlen zur Verfügung.
Im 19. Jahrhundert existierten in Rheinsberg drei Mühlen. Die größte von ihnen war die Ober-oder auch Stadtmühle. Weiterhin gab es seit 1785 die Untermühle, und Rheinsberg hatte auch eine Bockwindmühle, die östlich der heutigen Dr.-Martin-Henning-Straße - ungefähr hinter dem heutigen Autohaus Cramer - auf einer Erhebung stand. Wie dem Band 13.2 „Denkmale in Brandenburg" von Ulrike Schwarz und Matthias Metzler zu entnehmen ist, fand die Stadtmühle bereits im Jahr 1533 am Standort der heutigen Obermühle Erwähnung. Vor dem einstigen Ruppiner Tor in der heutigen Mühlenstraße auf der dem Ort zugewandten (nördlichen) Uferseite des Rhins steht noch heute die Obermühle. Sie verfügte über zwei Mahlgänge und gehört zu den ältesten Mühlenstandorten des Ruppiner Landes. Angetrieben vom Wasser des dort aus dem Grienericksee fließenden Rhins, stand ihr stets ausreichend Energie zur Vermahlung des Getreides zur Verfügung. Doch man nutzte diese Kraft auch noch anderweitig. Seit dem Jahr 1843 arbeitete am gegenüber liegenden Rhinufer ein Schneidewerk für die Holzverarbeitung. Über diese Schneidemühle verfügte ein besonderer Schneidemüller. Doch hielt sich dieser Betriebszweig nicht sehr lange und wurde bald eingestellt. Eine Vielzahl von Müllern ging im Laufe der Jahrhunderte in diesem Haus ihrem Handwerk nach. Ältester namentlich bekannter ist Müllermeister Rosenberg, der 1733 dort tätig war. Ihm folgten 1767 Müller Schröder und 1786 Müller Köppen sowie Müller Rademacher ab 1834, Müller Plähn ab 1836, Müller Franke ab 1840, Müller Schulz ab 1842, Müller Gumtau ab 1844, Müller Heinrich Müller zirka ab 1891, Müller Fritz Bolz von zirka 1899 bis zirka 1924, Müller Ernst Bolz zirka 1924 bis 1937. Noch im gleichen Jahr übernahm Müllermeister Ernst Bolz bis 1945 die Mühle. Er wurde jedoch enteignet.
BHG übernahm die Mühle
Sein Nachfolger war Johannes Bröcker, der aber nur bis 1949 seinem Handwerk nachging und dann von seinem Sohn Günther abgelöst wurde. Aus der privaten Mühle wurde in der DDR der volkseigene Betrieb Stadtmühle Rheinsberg. Über die näheren Umstände dieses Eigentumswandels ist nichts bekannt, doch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Privateigentümer waren damals allgemein üblich. Kaufmann Johannes Bröcker war darin bis zum Jahr 1953 als Müller eingesetzt. Ab dem 1. Januar 1954 ging die Mühle in die Trägerschaft der Bäuerlichen Handelsgenossenschaft (BHG) über und später, ab 1957, wurde sie der LPG angegliedert, wo sie bis zur Wende verblieb. Seitdem liegt sie in einem Dornröschenschlaf und wartet auf einen zahlungskräftigen Investor, der sie vor dem gänzlichen Verfall bewahrt. Aber die Obermühle war nicht die einzige, die sich der Wasserkraft des kleinen Flüsschen Rhin bediente. Wenn man etwa zwei Kilometer dem Lauf des Rhins folgt, gelangt man zur Untermühle. Der damalige Müllermeister Schröder ließ sie 1785 erbauen. Im Jahr 1825 schloss sich der Bau einer Walkmühle an, die aber bald wieder ihren Betrieb einstellte. Gleichzeitig war Schröder zu dieser Zeit auch Besitzer der Rheinsberger Obermühle, die er aber 1833 an Müller Plähn verkaufte. Bruno Paetsch berichtet in seinen Aufzeichnungen, dass sich die Untermühle dann von 1880 bis 1893 im Besitz von Müllermeister Carl Friedrich Wilhelm Lindhorst befand. Dieser verkaufte sie 1893 an die Hofkammer. Paetsch gibt in seinem Bericht an, dass Zeitzeugen ihn persönlich davon unterrichtet hätten, dass der Verkauf der Mühle nur erfolgt sei, um in den Besitz der dazu gehörenden Wälder zu gelangen. Die Hofkammer verpachtete nun die Mühle an einen Herrn Beier, dem die Pächter Lorenzen und Jürs folgten. Jürs war der letzte Pächter vor 1945. Eine Zeit lang wurden die Räume der Mühle an eine Berliner Firma verpachtet, die Wasserkraft des Rhins zur Erzeugung von elektrischem Strom nutzte, um die am Ende der Lindenallee entstandene Kiesgrube damit zu versorgen. Dieses Unternehmen geriet dann in Zahlungsschwierigkeiten und musste Konkurs anmelden.
Von dem Pächter Lorenzen wurden damals die unteren Wohnräume der Mühle als Lokal eingerichtet, ebenso wurden vor dem Hause und im gegenüberliegenden Garten zur Sommerzeit Tische und Stühle aufgestellt, um die Gäste im Freien bewirten zu können. Die Untermühle war vor 1945 ein beliebter Ausflugsort. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind auf Rheinsberger Terrain mehrere Erholungsstätten auswärtiger Betriebe entstanden, so auch in der Untermühle. Bereits 1952 wurde die Rheinsberger Untermühle vom Metallurgie Handel in eine solche Einrichtung umfunktioniert. Am 4. Mai 1955 erhielt sie die Bezeichnung „Schulungs- und Erholungsheim Fritz Selbmann". Das Heim hatte Platz für 68 Personen pro Durchgang. Sie wurden damals von zwölf Angestellten des Heimes betreut, berichtet Chronist Erich Goßmann dazu. Heute dient dieses Objekt einem Touristikunternehmen als Ferienobjekt, und es ist Ausgangspunkt für Kanutouren auf dem Rhin. Aber es gab in Rheinsberg auch Mühlen, die die Windkraft ausnutzten. Bruno Paetsch beschreibt in seinen Berichten den Standort einer Windmühle so: „Die Strelitzer, später Dr.-Martin-Henning-Straße genannt, hatte auf der linken Westseite die Häuser Nr. 27, 28 und 29 zu stehen. Die rechte Ostseite war mit den Häusern Nr. 2, 5 und 6 bebaut. Ebenso stand auf der rechten Ostseite auf der höchsten Erhebung eine Windmühle." Am 21. April 1826 brannte die Windmühle des Mühlenmeisters Lucas ab. Sie wurde noch im selben Jahr wieder erbaut. In der Nacht vom 8. zum 9. Dezember 1832 brannte diese Mühle abermals ab. Da dieser Brand durch grobe Fahrlässigkeit des damaligen Besitzers, Ehlers, entstanden war, wurde derselbe per Gerichtsbeschluss zu einer vier-wöchigen Gefängnisstrafe verurteilt. Außerdem wurde ihm die auf 1327 Taler und 25 Silbergroschen vermittelte Brandvergütung vorenthalten. Mehr ist über diese Mühle nicht bekannt.
Holländer-Mühle auf dem Berg
Wie in früheren Zeiten ist in südlicher Richtung die Holländer Mühle auf dem Rheinsberger Mühlenberg schon aus weiter Ferne zu sehen. Den Aufzeichnungen von Chronist Günther Modrow ist zu ihrer Geschichte folgendes zu entnehmen: Die Mühle steht auf einem Acker, der 1894 in drei Teile parzelliert wurde, von denen Adolf Relitz den mittleren Teil erwarb. Er verkaufte ihn aber schon im Folgejahr an Müllermeister Hermann Strubel.
Dieser begann im Jahr darauf mit dem Bau einer Windmühle im Holländer Stil. Dort wurde nun das Korn der Bauern aus der Umgebung gegen Lohn gemahlen beziehungsweise geschrotet und auch an Bäcker und Händler weiterverkauft. 1898 vererbte Strubel die Mühle an seinen Sohn Otto. Dieser baute sie dann 1914 weiter aus. Es entstand zum Beispiel eine Gesellenstube mit eigenem Klosett. Die Mühle blieb im Besitz von Otto Strubel, bis er sie 1919 an die Mühlenbetriebe Schmidt verkaufte. Es folgte die Zeit der Inflation, und neue Besitzer (1920 Otto Fechen, 1923 Emil Steinkiller) versuchten dort ihr Glück, bis 1928 Müllermeister Erich Dietert das Anwesen erwarb. Er investierte dann 1931 kräftig, baute eine Bäckerei und einen Speicher an und versorgte bis Kriegsende mit seinen Backwaren die Dörfer Zechow, Schwanow, Braunsberg und Zühlen sowie einen Teil Rheinsbergs mit Brot. Die Bauern lieferten Getreide und erhielten dafür eine bestimmte Menge Brot gutgeschrieben, das ihnen frei Haus geliefert wurde. Der schreckliche Krieg war kaum vorbei, da musste die Bäckerei 1945 schon in den ersten Maitagen für die sowjetische Stadtkommandantur backen und hatte somit nur einen Stillstand von wenigen Tagen zu verzeichnen. Da Windkraft sehr unregelmäßig zur Verfügung stand, ließ Meister Dietert 1947 den Betrieb auf einen elektrischen Antrieb umstellen und machte sich damit vom Wind unabhängig. Das ging bis 1952 gut. Dann aber stellten sich technische Probleme ein, Ersatzteile fehlten und es war kein Mühlenbauer zu finden, der die Reparaturen ausführen konnte. Damit war das Schicksal der Mühle besiegelt. Ein Großteil der Ausstattung wurde ausgebaut und verkauft und das Gebäude nutzte später der Jugendclub des Kernkraftwerkes Rheinsberg. Auch die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) nutzte die Räume zur Ausbildung von Funkern. 1972 kaufte Karl Hedelt das Grundstück und im Erbgang ging es an Marion Schmidt, geborene Hedelt über. Familie Schmidt baute 1988 den Mühlenstumpf zu einer Gaststätte aus. Am 3. Mai 1989 wurde darin ein Café eröffnet, das sich bis heute zu einer beliebten Gaststätte entwickelt hat.
Für die Keramikproduktion
Der Vollständigkeit halber sei noch der einstige Standort einer weiteren Windmühle in Rheinsberg erwähnt. Die „Denkmal-topographie Bundesrepublik Deutschland - Denkmale in Brandenburg" Band 13.2, berichtet darüber: „Diese Mühle wurde 1819 vor dem See Tor in der heutigen Schillerstraße errichtet, etwa auf dem Gelände der ehemaligen Wohnungsgesellschaft." Diese Windmühle im Stil einer Holländischen Windmühle (siehe: Kaufleute und Manufakturunternehmer; VSWG Beihefte 122; 1985 Franz Steiner Verlag Stuttgart) war aber nicht zum Mahlen von Getreide gedacht, sondern sie drehte ihre Flügel für die Verarbeitung der Feuersteine, der Kreide und der Masse zur Keramikproduktion in der damaligen Rheinsberger Steingutfabrik. Zu ihrem Standort heißt dazu in der Denkmaltopografie: „Bis in die 1. Hälfte des 19. Jh. gab es lediglich unmittelbar vor dem Stadttor einzelne Wohnhäuser. Nördlich davon lagen ein Gebäude der Steingutfabrik, das Forstamt (Schillerstraße 6), eine Windmühle mit Wohnhaus, ein Tagelöhner Haus sowie mehrere Scheunen." Heute ist das Müllerhandwerk aus Rheinsberg wie aus vielen Orten verschwunden.