Jürgen Pfeifer und Timo Gottschalk berichteten in Rheinsberg über den Rallye-Sport
Jürgen Rammelt
(aus: Ruppiner Anzeiger; 14.06.2018)
Der Rallye-Sport hat in Rheinsberg eine lange Tradition. Bereits zu DDR-Zeiten gab es motorsportbegeisterte Jugendliche, die in speziell hergerichteten Trabants und Wartburgs an Wertungsprüfungen und Wettfahrten teilnahmen. Im Rahmen der Vortragsreihe des Vereins Stadtgeschichte Rheinsberg erinnerte am Dienstag Jürgen Pfeifer an seine ersten Einsätze als Rallyefahrer. Unterstützt wurde er dabei von Timo Gottschalk, der Anfang der 1960er-Jahre noch unter den Zuschauern weilte, die zusahen, wie die Teams in ihren frisierten Fahrzeugen in den Rheinsberger Straßen um Punkte kämpften. Heute gehört Gottschalk, der 2011 mit dem Katari Nasser Al Attiyah die Rallye Dakar gewinnen konnte, zu den weltbesten Navigatoren im Rallye-Sport. Los ging es in Rheinsberg, als damals junge Leute wie Jürgen Gohdes, Christian und Eberhard Monte und später auch Wilfried Janke sich für den Motorsport begeisterten. Durch das entstandene Kernkraftwerk fand 1973 die erste „Atom-Rallye" in Rheinsberg statt. Mitten in der Stadt, in der heutigen See- und Langen Straße heulten damals die Motoren, roch es nach Benzin und verschmortem Gummi. Am Steuer eines Trabants saß seinerzeit auch Jürgen Pfeifer. „45 Mark betrug zu der Zeit der Jahresbeitrag im Motorsportverein", erzählte der heute 61-Jährige. Gefahren wurde im Familienauto, mit dem es auch in den Urlaub ging. Die ersten Wettfahrten waren Rallyes für Je-dermann, später folgten Läufe zur Bezirks- und DDR-Meisterschaft. Pfeifer berichtete, wie kompliziert es war, Ersatzteile zu beschaffen, denn kaputt ging immer wieder etwas. In der Werk-statt von Christian Monte in Linow wurde so manches Teil daher wieder geschweißt, wurden Karosserieteile ausgetauscht und defekte Stoßdämpfer ge-
In den 1960er-Jahren waren die Rennsportler mit frisierten Trabis unterwegs
wechselt. Reifen und Verschleißteile waren teuer und teilweise Mangelware. Auch, dass vor jeder Rallye die Autos auf ihre Sicherheit geprüft wurden, gehörte zum Prozedere der Rennen. „Finanziell war unser Sport ein teures Hobby", fasste Pfeifer, der bis 1990 aktiv war, seine Erlebnisse zusammen. Dann übernahm Timo Gottschalk das Mikrofon, der knapp 20 Jahre jünger als sein Vorredner ist. Während er sprach, wurden Bilder gezeigt, die ihn an der Seite von Jan Gantikow irgendwo in der Natur zwischen Rheinsberg und Linow im Seitenwagen eines Motorradgespanns, aber auch im Trabant, zeigten. Gottschalk und sein Freund hatten, vom Rallyefieber infiziert, in der Werkstatt von Monte an Autos geschraubt und gebastelt, was das Zeug hält. Die Teilnahme an ersten Wettfahrten und Wertungsprüfungen ließ nicht lange auf sich warten. Gottschalk merkte schnell, dass er nicht der Fahrer sein möchte und fand in der Rolle als Beifahrer und Navigator seine Berufung. Erste Erfolge, noch als Mitglied der Rennsportgemeinschaft Neuruppin, stellten sich ein. 1995 erwarb Gottschalk die Profi-Lizenz. Die Hunsrück-Rallye 1996 führte ihn dann erstmals in die alten Bundesländer. Ein Jahr später saß der damalige Linower an der Seite von Bernd Depping in einem 300 PS starken Ford Escort. Dann ging ' es Schlag auf Schlag: 1997 stand die Pneumant-Rallye auf dem Programm. Am Steuer neben Gottschalk saß mit Michael Neuschäfer eine Rallye-Legende. Im Jahr darauf war Gottschalk im Audi S 2 mit Dieter Depping erfolgreich. 1999 schnupperte der Navigator bei der Tour de Korsika erstmals Weltmeisterschaftsluft. Es folgten 2002 und 2003 Wettfahrten zur Deutschen Meisterschaft im Renault Megane sowie im Ford Escort. Nach der Teilnahme an der Rallye-WM 2005 und 2006 nahm 2007 das Abenteuer „Dakar" seinen Anfang. An der Seite von Dieter Depping manövrierte Gottschalk einen MAN-Truck durch die afrikanische Wüste. Weitere Teilnahmen mit guten Platzieren in einem VW Touareg an der Dakar folgten, bis 2011 Timo Gottschalk mit Nasser Al-Attiyah die wohl anspruchsvollste Rallye der Welt gewinnen konnte. Die Siegestrophäe, eine stilisierte Beduine, konnten die Gäste der Veranstaltung bewundern. Die folgenden Jahre verliefen mehr oder weniger erfolgreich. Mal in einem Skoda oder Buggy nahm Gottschalk mit wechselnden Fahrern an zahlreichen Wettfahrten teil. Der Linower erzählte von Yazeed Al-Rajhi, einem Saudi, der bei ihm angefragt hatte, ob er nicht mit ihm die Dakar bestreiten möchte. Doch da hatte er schon seinem einstigen Gegner Carlos Sainz zugesagt. Al-Rajhi musste sich noch gedulden. 2013 war es dann soweit. Mit dem Saudi hatte Gottschalk einen Fahrer gefunden, mit dem auch die Chemie stimmte. Gestartet wurde zuerst in einem in Südafrika gebauten Toyota. Später war es ein Mini des Teams X-Raid. Es gab Erfolge, wie den Sieg bei der legendären Silk-Way-Rallye, die 2016 von Moskau nach Peking führte, aber auch Rückschläge, wie bei den Dakars, bei denen mal sein Fahrer mit der Höhenkrankheit Probleme hatte oder mal das Team aufgrund von Witterungsunbilden und techni-schen Problemen viel Zeit verlor und sogar am Ende aufgeben musste. Doch das gehört zum Rallye-Sport dazu, machte Gottschalk deutlich. Mit dem Sieg bei der jüngsten Rallye Kasachstan be-
Nächste Etappe für Timo Gottschalk ist Rallye auf der Seidenstraße im Juli
finde sich das Team im Aufwind. Im Juli steht mit der Silk Way, der Seidenstraßen-Rallye, die nächste Herausforderung an. Start ist am 15. Juli in Peking. Al-Rajhi und Gottschalk wollen erneut angreifen. Ausdrücklich lobte der Rheinsberger das Team der Mechaniker, die Tag für Tag dafür sorgen, dass die Rallyefahrzeuge am nächsten Tag wieder einsatzbereit sind. Gottschalk, der im vergangenen Jahr einen schweren privaten Motorradunfall mit 16 Brüchen hatte, dankte aber auch seiner Familie, die ihn stets unterstützt hat. „Es ist nicht einfach mit einem verrückten Motosportler liiert zu sein", erklärte Gottschalk mit einem verschmitzten Blick auf seine Lebensgefährtin.