Der erste Jahresbeitrag der Vortragsreihe des Rheinsberger Vereins für Stadtgeschichte widmete sich der 50-jährigen Historie des RCC
Regine Buddeke
(aus: Märkische Allgemeine; 11.01.2018)
„Der RCC ist da - helau am Rhin, helau" singen am Dienstagabend die fast 100 Gäste in der Rheinsberger Remise Ein Beweis dafür, dass es viele Jecken und Narren in der Prinzenstadt gibt - die Aktiven und auch die, die die Veranstaltungen des Rheinsberger Carneval Clubs (RCC) regelmäßig besuchen. Da sind im Laufe der Jahre so einige zusammengekommen -immerhin besteht der Verein inzwischen ein halbes Jahrhundert. Grund für eine Rückschau. Der Verein Stadtgeschichte, der in einer Vortragsreihe die verschiedensten Themen der Prinzenstadt unter die Lupe nimmt, hat sich daher den RCC für den ersten Vortrag des Jahres herausgepickt. Als Gastredner wurde Hans-Norbert Gast verpflichtet: Der Mann mit dem gezwirbelten Schnurrbart ist nicht nur Vereinsmitglied bei den Stadthistorikern, sondern auch der langjährige Präsident des RCC. Er hat dafür nicht nur die begonnene Chronik des RCC, sondern auch die Berge unsortierten Materials durchforstet, die im Laufe der 50 Sessionen zusammengekommen sind: Fotos, Eintrittskarten, das alljährlich herausgegebene Extrablatt des „Lach- und Sachboten", die keramischen Karnevalsorden. „Wir haben tausende Fotos - ich habe mehr als 20 Stunden an dieser Präsentation gesessen", sagt Hans-Norbert Gast. Beim Publikum kommt sie bestens an. Was ist 1986 - im RCC-Gründungsjahr - alles passiert? Gast hat es herausgesucht. Wichtig: Das Tanzensemble „ Studio 64 " des Kernkraftwerkes - zu DDR-Zeiten größter Arbeitgeber in der Stadt -begab sich auf Tournee. „Die wurden später unsere RCC-Tanzgruppe“,
Die SED-Kreisleitung wusste ja auch, dass die Leute irgendwo Dampf ablassen müssen.
Hans-Norbert Gast langjähriger RCC-Präsident
erklärt Gast. Funkengarde könne man sie aber kaum nennen. „Die Frauen hatten nie nur die vor-gefertigten Gardetänze. Jedes Jahr wurden immer neue Choreografien geschaffen - immer passend zum Programm. " Eine Pionierin war Ingeborg Intelmann. Die Rheinsberger Tanzpädagogin hatte Kontakte zum Friedrichstadtpalast, besorgte Tanzkostüme, half bei den Choreografien und trainierte die Tänzerinnen. Aber auch in anderen Punkten hat es sich der RCC nie leichtgemacht - auch zu DDR-Zeiten in der Mangelwirtschaft. Kostüme wurden von DEFA und Fernsehen besorgt, vieles nähten die Karnevalistenfrauen in mühevoller Kleinarbeit selbst. „Unsere Kostüme waren immer aufwändig - das war unser Alleinstellungsmerkmal. " Selbiges galt auch für die riesigen Bühnenprospekte - etliche aus dem Pinsel von Frank Schwiesow -, mit denen man heute ein Museum füllen könnte. Nicht zu reden von den kleineren Bildern, mit denen das Kulturhaus, in dem der RCC seine Sessionen zu DDR-Zeiten präsentierte, opulent ausgestattet wurde. „Dafür wurde von der KKW-Leitung auch oft die Werkstatt eine Woche lang freigemacht oder auch ein Mitarbeiter, der dann zwei Wochen malen durfte" , erinnert sich Siegfried Schweitzer, langjähriger Präsident und RCC-Urgestein, der immer noch als Fa-schingsmusiker aktiv ist. Denn ob-wohl die Jecken - damals schon nicht zimperlich - in ihren Reden und Sketchen mit spitzer Zunge den alltäglichen Wahnsinn der DDR auf die Schippe nahmen, genossen sie stets die Unterstützung der Oberen. „Die SED-Kreisleitung wusste ja auch, dass die Leute irgend-wo Dampf ablassen müssen", erklärt Hans-Norbert Gast. Da sei der Karneval noch die harmloseste Form gewesen. Nur ganz selten sei es vorgekommen, dass der RCC zensiert wurde. „Als 1980 der Ratskeller geschlossen wurde, durften wir das zwar im Programm, aber nicht im Motto behalten. " Die Handzettel waren schon gedruckt was tun? Aus „Hotel Ratskeller" wurde kurzerhand das „Rats" gestrichen. „Dann hieß es Hotel Keller - das passte noch besser" , sagt Gast amüsiert. Er hat noch viele lustige Erinnerungen parat. Etwa, dass es in den ersten Jahren stets nur elf Vereinsmitglieder gab: „Nur der Elferrat - und keine Frauen, die waren nur schmückendes Beiwerk" , verrät er. Es sei damals eine hohe Ehre gewesen, vom RCC angesprochen zu werden. Er selbst sei 1980 erstmals angefragt worden - zum „ Südseezauber" , der zwölften Session. „Eine Riesenauszeich-nung. Als der Mann zur Tür raus war, habe ich erstmal laut Hurra geschrien", sagt Gast und holt sich Johnny Lehmann - RCC-Gründungsmitglied und immer noch aktiv - auf die Bühne. Gemeinsam singen sie ihr Duett von damals: Themen wie das schwarz gebaute Wochenendhäuschen und der mühsam ersparte Trabi treiben den Zuhörern heute noch ein Lächeln ins Gesicht. Oder der Fakt, dass 1982 erstmals eine Dame oben ohne auf der Bühne agierte. „Heute undenkbar - aber zu DDR-Zeiten waren wir locker" , sagt Gast. Seine Reiselust-bütt von 1989 musste er wegwerfen, die Wende kam dazwischen. Er er-innert sich, dass am 11.11.1989 während des Programms tischweise die Leute wegschlichen. „ Sie kamen wieder. Wollten nur ihr Visum holen", klärt er auf Er erzählt von den eigens gebrannten, thematisch passenden Keramikorden und davon, dass sich seit 2008 die Themen wiederholen. Der 11.11.2008 stand unter dem Motto „40 Jahre und was nun?" Ein Wendepunkt. „War ja alles schon da. Immer wenn ein Junger ein Thema vorschlug, winkte ein Älterer ab. „Hatten wir schon", er-innert sich Gast. Man begann also wieder von vorn und legte die Themen neu auf. Die 41. Session hieß wie 1969: „Uns geht der Ofen nicht aus" - es könnte die RCC-Devise sein. Nach wie vor stellen die Jecken aus inzwischen vier Generationen abendfüllende Programme auf die Beine: Am 10. Februar hat „Die 50. Gaukelei" im Schlosstheater Premiere.