Rund 800 Besucher und ein Benefizerlös von 75 000 Euro sind die Bilanz der Langen Nacht der vergangenen 20 Jahre – nun war es wieder soweit
Cornelia Felsch
(aus: Märkische Allgemeine; 06.11.2017)
1997 bei der ersten Langen Nacht der Künste gab es in Rheinsberg gerade einmal zwölf Veranstaltungen. Am Sonnabend waren es 45 und die Teilnehmer an diesem Kunst- und Kulturmarathon hatten die Qual der Wahl. „Damals wollten wir ein Lichterfest in unserer Stadt entfachen, um zu zeigen, was wir an Kunst und Kultur zu bieten haben“ sagte Peter Böthig bei den festlichen Eröffnungsveranstaltung im Schlosstheater. Kunst und Kultur, wie man sie sich kaum abwechslungsreicher und spannender vorstellen kann, erlebten die Rheinsberg-Besucher am Sonnabend bei der 21. Langen Nacht der Künste. Das Programm reichte von einem der modernsten Orgelwerke bis hin zu den Spuren vergangener Jahrhunderte, die bei der aufwendigen Sanierung des Schlosses zutage befördert wurden. Was haben Komponisten in den vergangenen Jahrhunderten aus Luthers Chorälen gemacht? Diese Frage beantwortete Kirchenmusikerin Juliane Felsch-Grunow mit einem Orgelkonzert in der St. -Laurentius-Kirche, das mit den Variationen von Andreas Willscher zu „Ein feste Burg in unser Gott“ seinen besonderen Höhepunkt erreichte. Erst im vergangenen Jahr wurde das Werk des zeitgenössischen Komponisten uraufgeführt. Restaurator Jochen Hochsieder entdeckte derweil mit den Besuchern die Geheimnisse des Stuckmarmors im Billardsaal des Rheinsberger Schlosses, der demnächst restauriert werden soll. Ein Foto aus dem Jahr 1990 zeigt den Raum in dem Zustand aus DDR-Zeiten. Damals flogen Medizinbälle an die Wände, der Billardsaal wurde zu Sanatoriumszeiten als Turnhalle genutzt. Mehrmals wurden die Wände seitdem notdürftig überarbeitet, doch der optisch gute Zustand täuscht. Mit Gibs, Leim und Farbpigmenten wollen die Restauratoren nun den Wänden zu Leibe rücken. Stuckmarmor war vor allem im Barock äußert beliebt, geriet allerdings dann in Vergessenheit und wurde erstmal wieder bei der Restaurierung der Dresdner Semperoper angewandt. Die Zutaten werden marmorartig ineinander geknetet und in Scheiben geschnitten, die dann auf den Untergrund aufgebracht werden. In vielen weiteren Arbeitsschritten wird die Oberfläche dann geschliffen und poliert. „Die Technik ist sehr aufwendig “, sagt Jochen Hochsieder. „Sie hat aber gegenüber natürlichem Marmor den Vorteil, dass die Masse auch auf gewölbte Flächen einfacher aufgebracht werden kann.“ Am 4. Dezember ist Starttermin für das Projekt, im Mai 2018 soll der Saal dann in neuem Glanz erstrahlen. „Wir wissen, dass das ein sehr sportliches Programm ist“, sagt der Restaurator, denn auch der Kamin und die Puttenverzierungen sollen einer Erneuerungskur unterzogen werden. 290 000 Euro wird das Projekt verschlingen, 90 000 Euro kostet allein das Aufbringen des Stuckmarmors. Das Zukunftsprojekt des künstlerischen Leiters der Kammeroper Schloss Rheinsberg, Frank Matthus, wird etwas kostengünstiger ausfallen, bereitet ihm derzeit aber dennoch einiges Kopfzerbrechen. Obwohl er im kommenden Jahr das Musikfestival verlassen wird, plant er derzeit ein eigens Opernprojekt. Auf dem Programm soll Ende Juni 2018 im Schlosstheater eine Uraufführung mit dem Titel „Bad Man`s Life“ stehen. Konzept und Libretto liegen in den Händen von Frank Matthus. In der Amtsstube des Kavalierhauses stellte er am Sonnabend seine Ideen vor, mit denen es ihm gelingen soll, eine erlebbare zeitgenössische Oper zu schaffen, die nach seinem Worten nicht nach der Uraufführung im Elfenbeinturm verrecken soll. „Viele zeitgenössische Opernaufführungen schaffen es leider nicht in das Repertoire der Opernhäuser“, sagt er Kein Geringerer als GoethesFaust soll ihm nun zum Erfolg verhelfen. Die Gier eines alternden Mannes nach Wissen, Geld und Sex kennt keine Grenzen, der Kick kann nicht groß genug sein und Grenzen scheint es kaum zu geben. Der höhere Sinn des Dramas hat auch Matthus erfasst. „Ich bin zwar noch nicht im Seniorenstift, aber Faust hat mich dennoch gepackt“, sagt er. Auch Bertholt Brechts wüstes Jugendwerk „Baal“ ist nicht ganz ohne Einfluss auf den künstlerischen Leiter der Kammeroper geblieben. „Als Schauspielschüler habe ich die Rolle gespielt und hat sie mich sehr fasziniert“, sagt er. Der Titelheld des Dramas, der in zwielichtigen Kneipen mit Fuhrleten säuft, sich die Frauen je nach Bedürfnis nimmt und zum Mörder wird, stirbt schließlich bei Holzfällern. Auch Charles Bukowskis „Notizen eines schmutzigen alten Mannes“ werden die Opernproduktion beeinflussen. Die Besucher der Kammeroper dürfen also gespannt der Weltpremiere im kommenden Jahr entgegen sehen. Mit Webers „Freischütz“ bleibt es in Heckentheater allerdings romantisch. Und am Schlosshof soll es mit Mozarts „Così fan tutte“ eine dritte Opernproduktion geben. Im Kavalierhaus präsentierte die Künstlerin Silke Thal zur Langen Nacht der Künste ihre Arbeiten, die während der Kammeroper-Aufführungen entstanden. Spontane, „klingende Bilder“, die von dem Gesang und dem Spiel der Darsteller inspiriert wurden und am Sonnabend viele interessierte Besucher anlockten. Bevor die Big Band der Kreismusikschule in der Kirche zum Finale blies, erlebten beharrliche Kunstliebhaber noch einen musikalischen Leckerbissen im Schlosstheater. Die griechische Mezzosopranisten Taxiarchoula Kanati sang Kompositionen um Liebe und Mythologie, komponiert von Richard Wagner und dem griechischen Komponisten Manòlis Kalomòiris. Der Erlös der Langen Nacht der Künste geht in diesem Jahr an Verein Stadtgeschichte Rheinsberg, der nach 13 Jahren aktiver Vereinsarbeit ein eigenes Haus – das Haus der Stadtgeschichte-in der Seestraße 22 kaufen konnte.