Der neue Kalender des Vereins Stadtgeschichte zeigt Orte, die es nicht mehr gibt
Jürgen Rammelt
(aus: Märker; 04.01.2017)
Rheinsberg.
In seinem neuem Kalender widmet sich der Verein Stadtgeschichte Rheinsberg Einrichtungen und Gebäuden, die es im Stadtbild nicht mehr gibt. Diese „Verlorenen Orte“ werden im Großformat auf zwölf Kalenderblättern mit Bildern und kurzen Texten vorgestellt. Vertiefend wird das Thema in einer begleitenden Ausstellung thematisiert. Nachdem in den vergangenen Jahren herausragende Rheinsberger Gebäude, das Handwerk, die Geschichte der Keramik, das Vereinswesen und andere Themen den vom Verein herausgegebenen Kalender füllten, haben sich die Hobbyhistoriker diesmal mit Orten beschäftigt, die es nicht mehr gibt. Es ist inzwischen der zehnte von dem Verein herausgegebene Jahresplaner. Darüber hinaus können Interessierte weitere Bilder der im Kalender dargestellten Orte in einer Ausstellung in den räumen des Heimatvereins in der Rhinpassage zu sehen. „Es ist gar nicht so einfach, jedes Jahr ein neues Thema für den Kalender zu finden“, berichtet der Vereinsvorsitzende Jörg Möller. Doch im Verein gebe es genug kreative Ideen, über die ausführlich beraten und diskutieıt wird, bevor sich die Mitglieder an die eigentliche Arbeit machen. Dann gilt es, Fotos zu suchen und auszuwählen, Leute zu befragen, in der vereinseigenen Datenbank zu stöbern, Texte zu verfassen und die Seiten zu gestalten. Die zwölf im Kalender thematisierten Orte führen auf eine kleine Zeitreise.
Und manch alteingesessene Rheinsberger wird sich an einige davon noch erinnern - etwa an das Ferienheim „Ernst Thälmann“ des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB). Dort wo heute das Hafendorf steht, machten schon zu DDR-Zeiten Menschen Urlaub am Rheinsberger See. Der unansehnliche Plattenbau wurde 2002 gesprengt. Im Kalender wurde „Ernst Thälmann“ dem Monat Februar zugewiesen.
Andere Bauwerke sind bereits vor so langer Zeit verschwunden, dass es nur noch wenige lebende Zeitzeugen geben dürfte, die sich an sie erinnem können. Dazu gehört die Bahnstrecke von Rheinsberg über Linow nach Flecken Zechlin. Sie wurde im Jahr 1928 eröffnet. Langer Bestand war ihr nicht vergönnt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ließ die sowjetische Siegermacht die Gleise als Reparationsleistung wieder demontieren und nach Russland transportieren.
Zu den verlorenen Orten gehört auch die Kaufhalle der Handelsorganisation, im DDR-Jargon schlicht HO abgekürzt - am Standort des heutigen Sparkassengebäudes.
Auf dem Kalenderblatt für den April wird an die ostdeutsche Variante eines Supermarkts erinnert. Auch die Kioske auf dem ehemaligen August-Bebel- und dem Karl-Liebknecht-Platz, dem heutigen Triangel- und Kirchplatz, sowie der „Klub der Gewerkschaft“ an der Langen Straße kommen vor. Noch heute erinnert sich Waltraud Riebke, die viele Jahre im Post-Kiosk Presseerzeugnisse verkaufte, an die begehrten Lesestoffe wie den Eulenspiegel, die Wochenpost und das Magazin. Mit dem Kalender werden für viele Einwohner Erinnerungen wach, beispielsweise an die Faschingsveranstaltungen, die im Kulturhaus „Freundschaft“. Der Treff an der Menzer Straße war zu DDR-Zeiten ein beliebter Veranstaltungsort. Seit seinem abriss im Jahr 2000 liegt das Gelände brach.
Der Marktplatz ziert die Blätter für den August. Früher schmückten ein Musikpavillon und ein Springbrunnen schmückten die Fläche auf der 1889 eine Büste von Kaiser Wilhelm l. aufgestellt worden war. Auf dem Areal wurde später ein Gedenkstein aufgestellt, und der Markt zum Platz der Befreiung umbenannt. Erst nach der Wende erhielt er wieder seinen ursprünglichen Namen.
Thema im Monat Oktober sind die zahlreichen Tankstellen, die zu Beginn des 20. Jahrhundert mit der zunehmenden Zahl der Autos an etlichen Stellen aufgestellt wurden. Das Benzin musste damals noch per Handpumpe abgezapft werden. Öl wurde per Hand zugemischt und der Kraftstoff wurde meist in Kanister abgefüllt. Die letzte abgebaute Tankstelle aus jener Epoche gehörte bereits dem Volkseigenen Betrieb Minol, der in der DDR das Treibstoffmonopol besaß.
Darüber hinaus füllen das ehemaligenGaswerk, das die Stadt mit Leuchtgas und Strom versorgte, sowie die zahlreichen Scheunen, die es einst in Rheinsberg gab, ein Monatsblatt. Dies gilt auch das alte Rathaus zu. Es wurde 1945 durch Brandstiftung vernichtet. Längst ist der Kalender des Vereins Stadtgeschichte ein begehrtes Sammelobjekt. Wie der vorsitzende Jörg Möller sagt, verschicken viele Prinzenstädter Exemplare an interessierte Verwandte und an ihre Kinder, die nicht mehr in Rheinsberg wohnen. „Dank der Unterstützung vieler Sponsoren können wir den Kalender für weniger als zehn Euro verkaufen", so Möller. Schon jetzt arbeiten die Hobbyhistoriker an dem Exemplar für 2018. Da viel Recherchearbeit notwendig ist, bevor solch ein Kalender in Druck gehen kann, sammelt eine Arbeitsgruppe bereits Material. Welches Thema 2018 aufgegriffen wird, möchte der Verein noch nicht verraten. Von dem Kalender sind noch Exemplare erhältlich. Sie können für neun Euro in der Tucholsky-Buchhandlung, in der Touristinfo und beim Heimatverein in der Rhinpassage gekauft werden. Die dortige Ausstellung ist werktags von 8 bis 16 Uhr geöffnet.