Der Verein Stadtgeschichte öffnete erstmals die Türen seines neuen Hauses
Regine Buddeke
(aus: Märkische Allgemeine; 16.03.2017)
Rheinsberg. Es wird eine Grundsanierung - das haben die Mitglieder des Vereins Stadtgeschichte Rheinsberg beschlossen, nachdem sie sich im Januar zum ersten Mal in ihrem neuen Haus umgeschaut hatten. „Wir haben ein bisschen an den Tapeten gepult, da kam aber auch gleich die ganze Wand mit “, sagt Vereinsmitglied Hans-Norbert Gast. Seit dieser Zeit hat sich einiges getan. Die Vereinsmitglieder haben alles heruntergerissen, was marode war. Etwa die anfangs gepflegt aussehende Holzdecke im geplanten Ausstellungsraum, in dessen großem Schaufenster bereits einige Exponate für das werben, was der Verein in seiner 13-jährigen Geschichte gesammelt hat. Und was er fein säuberlich in einem riesigen digitalen Archiv mit rund 90 000 Datensätzen für alle zugänglich macht.
Die Räume sind immer noch eine Baustelle, aber mittlerweile wurden die Wände neu verputzt, Türrahmen erneuert, Leitungen neu verlegt. Die Dielung ist schon da und kann verlegt werden.
„Für einen Verein Stadtgeschichte soll das Ganze am Ende auch ein Stück weit historisch authentisch sein ”, erklärt Vereinschef Jörg Möller den mehr als 50 Rheinsbergern, die sich am Dienstagabend zum Tag der offenen Tür durch die noch unfertigen Räume drängen, in denen etliche Schautafeln das vielfältige Wirken des tüchtigen Vereins ansatzweise ahnen lassen. „Habt ihr bei den Ausgrabungen neue Exponate gefunden?“, fragt eine Besucherin. „Den Goldschatz suchen wir noch kontert Möller. Der eigentliche Schatz sei das Haus selbst. Schon einige Zeit liebäugelte der Verein, der bis dato sein Domizil im Marstall hatte, mit einem eigenen Haus der Stadtgeschichte. „Wir sind natürlich dem Kurt-Tucholsky-Museum und Peter Böthig sehr dankbar für das Obdach", betonte Möller.
Dass der Verein mehr Platz braucht, lag auf der Hand. Schon wegen der drei ABM-Kräfte, die nach wie vor mit dem Digitalisieren der Sammlung beschäftigt sind, die die Vereinsmitglieder zusammentragen. Und natürlich, um thematisch wechselnd all die Schätze auszustellen: Historika Rheinsbergs - über die Carmol-Fabrik, das Kernkraftwerk, die Keramikmanufakturen. Aber auch Fundstücke von einzelnen Häusern und Straßen, Dokumente, Fotos, Scherben, Postkarten. Hunderttausend Kleinigkeiten, die sich summieren. Komplette Ausgaben der von 1925 bis 1942 herausgegebenen Rheinsberger Zeitung. 18 000 digitalisierte Seiten, die jetzt von den Helfern in computerlesbaren Text umgewandelt werden. Das braucht Platz und ein modernes Büro. lm vergangenen Jahr ist der Ver- ein auf die Suche nach dem passenden Gebäude gegangen. Und wurde in der Seestraße 22 fündig. „Wir wollten es groß, zentral und bezahlbar ", erläutert Möller die Suchkriterien. Das neue Haus biete all das. Es ist kein architektonisches Einzeldenkmal, strotzt aber vor Geschichte. Neben dem alten Gebäudegrundriss hängen noch diverse uralte Kleinanzeigen im zukünftigen Büro. 1933, so erfährt man, hat Else Lindner ihr Damen- Hutgeschäft dort eröffnet. Im selben Jahr hat Wilhelm Grotewohl ZK Mitglieds Otto Grotewohl -dort sein Friseurgeschäft aufgemacht. Und Lotte Hüfner hat 1934 ihr Reformgeschäft in diesem Haus-"dem Hause des Herrn Malermeister Karbe"-etabliert. Das Baujahr des Karbe-Hauses dürfte zwischen 1740 und 1760 liegen, also nach dem großen Stadtbrand 1740, schätzen die Hobby-Historiker des Vereins. Der Sohn von Malermeister Erich Karbe, Gerhard, wohnt immer noch dort. „Für uns ein Glücksfall, er ist so eine Art Hausmeister für uns ", erklärt Jörg Möller.
Dass im Haus drei Private und ein Geschäft Mieter sind, mache es dem Verein möglich, die Kredite für das Haus zu tilgen. „Wir haben vorher lange gerechnet und kalkuliert", verrät Möller. Dank der Niedrigzinsen sei der Kauf möglich gewesen. Die Betriebskosten können aus den Zinsen der 2012 ins Leben gerufenen Stiftung des Vereins bestritten werden. „Was wir bislang hier geschafft haben, wäre nie möglich gewesen ohne die Hilfe diverser Rheinsberger Firmen“, sagt Möller. Ob Arbeitskraft, Material oder Spenden. die Rheinsberger bringen sich ein.
Es geht ja um unsere Geschichte so Möller. Wie es scheine, werde die Arbeit des Vereins wertgeschätzt. Nicht von ungefähr würden die Rheinsberger immer mehr alte Fundstücke vorbeibringen und immer mehr Menschen die Vorträge zur Historie Rheinsbergs besuchen. Am Dienstag konnte Möller gleich die Urkunden für das 85. und 86. Vereinsmitglied übergeben. „Wir wollen stärkster Verein Rheinsbergs werden, müssen aber noch die Fußballer überholen", sagt Hans-Norbert Gast. Noch ist viel zu tun im Haus. Bis im Ausstellungsraum die Vitrinen stehen, in denen die wesentlichen Säulen der Rheinsberger Geschichte-Keramik, Carmol, das KKW-abgebildet werden, braucht es noch Zeit. Pläne haben die neuen Hausbesitzer indes schon viel mehr. Das Dach müsse irgendwann gemacht werden. Der Innenhof soll als historisch gestaltete Ruheoase bei Festen wie dem Töpfermarkt offen stehen. Die Gebäude im Innenhof- etwa die alte Schlachterei - sollen ausgebaut werden. In vier Metern Tiefe sei ein Eiskeller gefunden worden. „ Ich habe die Vision, dort in fünf Jahren einen Wein zu trinken" , sagt Möller.
Dazu braucht es vor allem Geld - das der Verein nach dem Hauskauf erst einmal nicht hat. Aber auch dazu denken die Vereinsmitglieder schon laut nach. Man könnte, ähnlich wie beim Berliner Stadtschloss, wo man symbolisch Ziegel kaufen könne, die Toreinfahrt mit Keramik- fliesen schmücken. „Die Rheinsberger Keramiker haben alle schon ihre Bereitschaft signalisiert", sagt Gast. Wie genau das aussehen kann, ist noch vage. „Vielleicht ein großer Stadtplan aus Keramikfliesen." Jeder, der solch ein Puzzleteil kauft, wird namentlich darauf erwähnt.