Der Verein Rheinsberger Stadtgeschichte hat die Satzung der Schneidergilde und ihr Siegel bekommen
Carsten Schäfer
(aus: Märkische Allgemeine; 20.01.2011)
Ein Gildebrief, ein Siegel, ein Testament aus dem 18. Jahrhundert – der Rheinsberger Verein Stadtgeschichte hat einige wertvolle Stücke im Archiv. Er hofft weiter auf ein Heimatmuseum.
RHEINSBERG
Es war wertvoll, was der Neuruppiner Heinz Kasch im Nachlass seiner Mutter Lieselotte aus Rheinsberg fand: Einen Gildebrief aus dem Jahr 1735, quasi die Satzung dieser Zunftgemeinschaft, versehen mit dem Siegel des preußischen Königs. Der Neuruppiner selbst konnte mit dem Brief nicht so viel anfangen – aber er wusste, wem er es geben konnte: dem Rheinsberger Verein Stadtgeschichte. Dieser nahm die Urkunde gern, ist sie doch ein Beleg für die Geschichte der Handwerker in der Stadt.
Wie alle anderen Teile der Sammlung des Vereins wurde sie katalogisiert und in die Datenbank eingetragen. Sie ist nun das Prunkstück des Vereins.Rund 5800 Objekte und fast 30 000 Bilder sind darin mittlerweile verzeichnet. Neben dem Gildebrief kamen 2010 auch ein Siegel der Schneidergilde und zwei Gemälde mit Ansichten der Brücke an der Mühlenstraße hinzu. Die Datenbank enthält auch alle MAZ-Artikel über Rheinsberg seit 2000 und die Rheinsberger Akten im Neuruppiner Kreisarchiv. Die Datenbank wird vom Brandenburgischen Landeshauptarchiv hoch gelobt. So hoch, dass der Verein in diesem Jahr wohl über ein Beschäftigungsprogramm einen Mitarbeiter einstellen kann, der im Hauptarchiv in Potsdam die Rheinsberger Akten erfasst und in die Datenbank einpflegt. Fachlich wird er dabei vom Archiv betreut.
Der Verein hat noch ein weiteres Projekt: In der Berliner Staatsbibliothek liegen die Jahrgänge 1925 bis 1942 der „Rheinsberger Zeitung“. Die erschien zwischen 1896 und 1942. Die erhaltenen Bände sind in einem schlechten Zustand. Sie sollen in einem Pilotprojekt des Fraunhoferinstituts für Polymerforschung laminiert werden, um sie wieder lesbar zu machen – und einscannbar. Das sollte schon im vorigen Jahr beginnen, die Tests mit dem neuen Laminierverfahren dauern aber länger als geplant. Das Verfahren soll garantieren, dass der Plastiküberzug 100 Jahre lang nicht blind wird. Bei bisherigen Verfahren waren die Dokumente schon nach einigen Jahren unlesbar. Möller hofft, dass die Fördermittel für das Projekt trotz Verzögerung kommen. Die Zeitung bietet viel Stoff für die Datenbank. „Das sind 18 000 Seiten“, sagt Jörg Möller. Die Rheinsberger Zeitung erschien dreimal pro Woche.
Die Datenbank ist es, die den Verein von anderen unterscheidet. „Heimatvereine gibt es viele“, sagt Vereinsmitglied Hans-Norbert Gast. Sie alle sammeln Gegenstände und Dokumente aus der Stadtgeschichte. Meist verstauben die aber in einem Archiv. In Rheinsberg ist das anders – dort gibt es die Datenbank. Jeder kann im Internet recherchieren, was der Verein in seinem Archiv hat. Zwei Ein-Euro-Jobber der Beschäftigungsgesellschaft Rabs helfen dabei, die Sammlung im Computer einzutragen. Persönliche Daten von Menschen, die noch leben oder noch nicht lange tot sind, sind nicht frei zugänglich. Außerdem wird jeder Eintrag gegengelesen, bevor er für die Datenbank freigegeben wird.
Die Sammlung zur Geschichte von Rheinsberg bringt allerdings nicht nur neue Erkenntnisse über die Stadt – sie kann auch Menschen zusammenführen. 2008 bekam der Stadtgeschichte-Verein das Testament des Tuchmachers Johann Christian Loyke. Eine Nachfahrin aus Bayern hatte es ihm geschenkt. Als das öffentlich wurde, meldete sich ein Wittstocker, der einen Kurt Loyke aus dem Ostseebad Boltenhagen kannte. Er war ebenfalls ein Nachfahre des Tuchmachers. Der Verein stellte einen Kontakt nach Bayern her, zur Freude beider Seiten. „Das ist jetzt schon mehrfach passiert“, erzählt Hans-Norbert Gast.
Das Testament, den Gildebrief und viele weitere Stücke würde der Verein gern in einem eigenen Heimatmuseum zeigen. Ein Raum dafür ist derzeit aber nicht in Sicht. In der Remise steht die Stadtgeschichte für 2013 im Ausstellungsplan, länger als ein halbes Jahr sollen die Exponate dort aber nicht stehenbleiben.
DER VEREIN
Der Verein Stadtgeschichte Rheinsberg wurde 2004 gegründet. Mittlerweile hat er 32 Mitglieder. Vorsitzender ist Jörg Möller. Er [der Verein, Anm. SGR] verfügt über ein eigenes Büro im Marstall. Dort treffen sich die Mitglieder jeden Dienstag ab 19 Uhr. Interessierte sind willkommen.
Jedes Jahr gibt der Verein einen stadtgeschichtlichen Kalender heraus. Für 2011 zeigt er Handwerksbetriebe früher und heute. Der Kalender kostet immer 9 Euro.
WWW
Die Internetseite des Vereins mit der Datenbank ist unter http://stadtgeschichte.rheinsberg.de erreichbar.