Neue Ausstellung mit teils kuriosen Dokumenten zur Geschichte der Stadtschule
Holger Rudolph
(aus: Ruppiner Anzeiger; 08.11.2012)
Rheinsberg (RA) „100 Jahre Stadtschule“ lautet der Titel einer Ausstellung, die der Verein Stadtgeschichte Rheinsberg am Dienstagabend eröffnete. Ein halbes Jahr lang werden Exponate gezeigt, die die Entstehung der heutigen Heinrich-Rau-Oberschule im Wandel der Zeit belegen.
Bereits der Wandkalender des Vereins für 2013 beschäftigt sich mit dem Jubiläum der Bildungseinrichtung (RA berichtete). Die neue Ausstellung in den Räumen des Heimatvereins Rheinsberger Seenkette in der Rhinpassage vertieft die Einblicke in ein Jahrhundert Rheinsberger Bildungsgeschichte. Geöffnet ist bei freiem Eintritt montags bis freitags von 7 bis 15:30 Uhr.
Der Geschichtsvereins-Vorsitzende Jörg Möller freute sich am Dienstag, dass so viele Interessierte zur Eröffnung kamen. Als vor einigen Monaten die Idee zur Exposition entstand, sei man sich zunächst gar nicht so sicher gewesen, dass ausreichend Ausstellungsstücke aufzutreiben wären. Doch es kam anders. So stellte zum Beispiel der inzwischen in Frankfurt (Oder) lebende frühere Prinzenstädter Wolfgang Buwert seine viele Jahrzehnte alten Ranzen zur Verfügung. Der Ruheständler ist in dem Verein und seiner einstigen Heimatstadt eng verbunden. Etliche Rheinsberg trugen mit Klassenfotos von anno dazumal zur Ausstellung bei. Auch das örtliche Bauamt beteiligte sich mit Urkunden, von denen wohl kaum jemand ahnte, dass sie noch existieren. Darunter befinden sich mehr als ein Jahrhundert alte Bauanträge für das Schulgebäude.
Als Rheinsbergs Ortsvorsteher Sven Alisch (SPD) dir Schau zur Schule betrat, sah er „mit Erschrecken den großen Rechenschieber an der Wand“. Das Ding habe er schon zu Schulzeiten überhaupt nicht gemocht. Eigentlich diente der Schieber dazu, schnell auch schwierigere Mathe-Aufgaben möglichst genau zu lösen. Anders als die Taschenrechner von heute war es aber eine kleine Kunst, dem Schieber die richtigen Resultate zu entlocken. In seiner kurzen Ansprache lobte Alisch „die hervorragende Arbeit, die der Verein geleistet hat“. Jeder Cent, mit dem die Stadt die Hobbygeschichtler unterstützt hat, sei eine hervorragende Investition.
Von alten Schulbänken und einem längst ausrangierten Bock aus dem Sportunterricht über Federtaschen und Ranzen reicht die Palette der gezeigten Ausstellungsstücke bis hin zu Pionierausweisen und Medaillen für gutes Lernen aus der DDR-Zeit.
Als Alisch eine Urkunde näher betrachtet, begann er zu lachen: „Dieses schulärztliche Attest bescheinigt einer Else im Jahr 1919 doch tatsächlich einen „blöden Gesichtsausdruck“. Weil sie außerdem noch über eine „schlechte Sprache“ verfügte, wurde sie um einen Jahrgang zurück versetzt.“
In der Wortwahl kurios ist auch eine Urkunde aus dem Jahr 1945. Mit dieser wurden die Bürgermeister durch die Kommandantur verpflichtet, „den Lehrern notfalls ein Fuhrwerk zur Kreis-Lehrerkonferenz zur Verfügung zu stellen, denn der An- und Abmarschweg“ sei für „viele von Ihnen außerordentlich weit und schwierig“. Die Straßen waren damals sehr schlecht ausgebaut.
Wie groß die Not nach dem Zweiten Weltkrieg war, dafür stehen die durch die damaligen Schüler von Hand vorgeschriebenen Zeugnisse. Die Lehrer hatten nur noch die Zensuren einzutragen. Dicht umstellt war am Dienstag die Wand mit alten Klassenfotos. Vielen ging es so wie Rosemarie Teßner aus Olberndorf am Bodensee. Die frühere Rheinsbergerin entdeckte kürzlich sich selbst als Einschülerin auf dem August-Kalenderblatt. Ihr Vater Walter hatte 1924 die Teßner-Stadtchronik geschrieben. Heute unterstützt sie die Arbeit des Vereins.
unter dem Foto Mitte:
Voll des Lobes: Ortsvorsteher Sven Alisch (rechts) spricht mit Hans-Peter Dageroth vom Verein über die gelungene Ausstellung.
rechts:
Wer wagt den Sprung? Der Vereinsvorsitzende Jörg Möller (Mitte) hatte am Dienstag viel zu erklären.