In Rheinsberg wird zu Himmelfahrt das regional einzigartige Möskefest gefeiert. Die jahrhundertealte Tradition hat einst schon Theodor Fontane beschrieben
Aileen Hohnstein
(aus: Ruppiner Anzeiger; 30.04.2016)
Rheinsberg - schon den Schriftsteller Theodor Fontane (1819-1898) zog es seinerzeit auf seinen Wanderungen durch die Mark in dieses Städtchen, auf der Suche nach Geschichte und Geschichten. So hörte er während einer Frühstückspause im Gasthof von einem Fest, das man so nur in Rheinsberg feierte. Das Möskefest. Möske, so wird dort Waldmeister genannt, das duftende Kraut, das noch immer dicht im Boberow Wald, nahe dem Schloss, wächst. Da diese Feier der Stadt Rheinsberg eigentümlich sei, so schrieb Fontane, widme er deren Besonderheiten einen Abschnitt in seinem Reisebericht. Wer sich heute auf die Spuren Fontanes begeben und mehr über das Möskefest erfahren möchte, trifft auf Petra Schirge. Die Katechetin kümmert sich seit zehn Jahren darum, mit den Kindern der Evangelischen Kirchengemeinde das Fest zu feiern. Auf traditionellen Pfaden geht es zum Waldmeister - vorbei am Rheinsberger Schloss und entlang geschwungener Wege öffnet sich eine Rasenlandschaft. „Es ist toll, wenn die Kinder hier ausgiebig toben und spielen können“, erzählt Petra Schirge. Denn wenn sie sich am Himmelfahrtstag morgens treffen, wird ihnen mehr geboten als nur ein schnöder Spaziergang, der im Möske sammeln gipfelt. Petra Schirge möchte ihren Schützlingen ein Erlebnis bereiten - dieses Jahr wird es eine Schatzsuche sein. Am Ende dreht sich dann aber doch alles um den Waldmeister. Da der April ein wenig kühl war, ist er noch nicht so üppig gewachsen wie sonst. Schließlich aber wird Petra Schirge fündig und präsentiert ein zierliches Stängelchen, von dem sich dünne Blättchen abfächern. Mit Freude seien die Kinder stets dabei, das Kraut in Körbchen zu sammeln oder kleine Sträußchen zu binden. Damit werde die Kirche für die Himmelfahrtsandacht geschmückt. Ganz so, wie es früher war. Was genau es aber mit dem Fest auf sich hat, weiß Petra Schirge nicht. Der Verein „Stadtgeschichte Rheinsberg“ kann da einige Antworten geben. Akribisch werden in der Online-Datenbank Informationen und Bilder gesammelt, so auch zum Möskefest. Zwar weiß niemand, seit wann es das in Rheinsberg gibt - manch ein historischer Schreiber nennt es schlicht „uralt“, ein anderer vermutet, dass bestimmt schon Heiden ihrem Frühlingsgott Waldmeister auf den Opferstein gestreut hätten. Sicher ist, dass es früher ein kirchlich geprägtes Fest für Schulkinder war. AmTag vor Himmelfahrt hatten sie schulfrei, trafen sich morgens zum Möskesammeln und spielten im Wald. Mit den gepflückten Kräutern kehrten sie zur Kirche zurück, um Altar und Pfeiler zu verzieren.Im Jahre 1757 änderte sich der Charakter des Möskefestes. Es war Krieg, und als man gerade mitten in den Festvorbereitungen steckte, verbreitete sich die Kunde eines Sieges: Prinz Heinrich, der Bruder Friedrich ll. und Eigentümer des Rheinsberger Schlosses, hatte bei Prag eine erfolgreiche Schlacht gegen die Österreicher geschlagen.Im Siegestaumel wurde damals beschlossen, sie von der Rheinsberger Jugend nachspielen zu lassen. Das Volksfest wandelte sich zu Soldatenspielen.In den Folgejahren übten sich die Schuljungen schon vor der Feier in militärischen Fähigkeiten; der Rektor ernannte den General, der alle anführte. Am frühen Morgen des Möskefestes zogen vier Trommler durch die Straßen, um die anderen zu wecken. Dann traten vor dem Schloss alle Jungen in Uniformen an und marschierten im Gleichschritt zum Waldmeister pflücken. Statt der Kinderspiele von einst, gab es nun im Anschluss Übungseinheiten im Exerzieren und Schießen. Es herrschte preußischer Drill, das Fest war ein Spiegel seiner Zeit. Und es war ein Erlebnis für die gesamte Stadt. Die Mädchen steckten in ihren feinsten Kleidern und trugen Blumenbögen, Eltern und Verwandte säumten die Straßen, und selbst Touristen wollten sich das Fest nicht entgehen lassen. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges endete die Geschichte vom Möskefest vorerst. In der DDR geriet es in Vergessenheit, war sogar verboten. Zumindest in den 1950er-Jahren jedoch sei es noch in kleinem Kreis gefeiert worden, erinnert sich Eckhard Bartel, Mitglied des Geschichtsvereins. Dessen Freund war der Sohn des damaligen Pfarrers. Zehn oder 15 Jugendliche und Kirche ist nichts übrig geblieben. Schade, findet Pfarrerin Forck. Doch wichtiger sei für sie, dass Kinder und Erwachsene beim Fest gemeinsam etwas Schönes erleben. Und was ihr besonders in Erinnerung geblieben ist: „Dieser intensive Duft nach Möske, wenn man nach einigen Tagen wieder die Kirche betritt - da komme ich gleich wieder ins Schwärmenl“ Dass diese Tradition weiterhin am Leben gehalten wird - zwar nicht als Schulfest und Publikumsmagnet wie vor 100 Jahren, sondern als vertraute Zusammenkunft -, dafür sorgt die Evangelische Kirchengemeinde. Dort bereitet zum Beispiel Petra Matschke, Mitarbeiterin des Gemeindebüros, die Möskebowle zu, die es nach dem Familiengottesdienst beim gemütlichen Zusammensein gibt. Dieter Däbel wiederum kocht seit 15 Jahren seine spezielle Möskesuppe. Eine Linsensuppe ist die Basis, abgeschmeckt mit Möske und weiteren Zutaten. Extra für das Möskefest hat er dieses Rezept kreiert, nur zu diesem Anlass wird die Suppe angesetzt. Pfarrer Raik Fitzner, erst seit vergangenem Jahr in Rheinsberg, ist begeistert von dieser ihm neuen Tradition: „Es ist was Schönes für Kinder, und es ist ein Tag für die Familie.“ Möskefest: 5. Mai, 8.30 Uhr, Treff der Evangelischen Gemeinde am Gemeindehaus, Aufbruch zum Möske sammeln; 10.15 Uhr Andacht in der Kirche, anschließend Beisammensein im Gemeindehaus. Mitbringsel zum Mittagsbuffet sind gern gesehen. Bitte zur Abstimmung im Pfarrbüro melden.