Zwölftes Archivschaufenster widmet sich dem Mauerfall
Jürgen Rammelt
(aus: Märkische Allgemeine; 03.12.2014)
Rheinsberg - Mit einer Ausstellung im Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum wird jetzt an die Zeit der Wende in Rheinsberg erinnert. Mitglieder des Vereins "Stadtgeschichte Rheinsberg" haben dazu das zwölfte Archivschaufenster gestaltet. Gezeigt werden Dokumente zur Wahl vom Frühjahr 1989, zum 40. Jahrestag der DDR, zur Gründung des Neuen Forums und anderer Bürgerbewegungen in Rheinsberg sowie zum Mauerfall. Sie stammen aus dem Archiv des Geschichtsvereins, der Stadt und aus persönlichem Besitz.
Zu sehen sind auch einige Ausschnitte aus der damaligen Märkischen Volksstimme, Vorläufer der heutigen MAZ - darunter eine Meldung über Wahlbetrug in Rheinsberg und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sowie offene Briefe und Protokolle, in denen die damalige Politik kritisiert wird. Breiten Raum nimmt in der Schau der Betrug bei der Kommunalwahl am 7. Mai 1989 ein. Um eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen, war in Rheinsberg die Zahl der Nichtwähler gefälscht worden. Die Stadt hatte damals 4029 Wahlberechtigte, von denen laut Meldung 4022 ihre Stimme abgegeben hatten. Lediglich sieben Nichtwähler wurden im Protokoll vermerkt, was in der Stadt in den Folgetagen für Aufruhr sorgte. Nach und nach war bekannt geworden, dass wesentlich mehr Einwohner der Wahl ferngeblieben waren. Detlef Priem, der zu den Nichtwählern gehörte, erstattete damals Anzeige. Zahlreiche Einwohner hatten einen Ausreiseantrag gestellt und waren nicht zur Wahl gegangen. In der Ausstellung wird ein Schreiben gezeigt, auf dem 49 Einwohner aufgelistet sind, die nach eigenem Bekunden nicht abgestimmt hatten.
Vor Gericht kam der Fall schließlich aufgrund einer Selbstanzeige von Udo Westphal, der mit einem weiteren Mitglied des Wahlvorstandes und auf Druck des damaligen Bürgermeisters Detlef Hohlfeld den Wahlbetrug begangen hatte. Letzterer wurde daraufhin des Amtes enthoben und gemeinsam mit den Mittätern verurteilt.
Wer sich Zeit für die Ausstellung nimmt, kann auf einem Bildschirm den Film "Chronik der Wende" anschauen oder sich in die weiteren Dokumente vertiefen. So gibt es das Protokoll aus der Pressekonferenz, in der das Mitglied des Politbüros Günter Schabowski die neue Reiseregelung und damit die Grenzöffnung verkündet. Auch einen Schulaufsatz aus dieser Zeit, ein Tagebuch der Wende sowie Plakate des Neuen Forum, von Bündnis 90 und "Demokratie jetzt" haben die Mitglieder des Stadtgeschichtsvereins bei der Sichtung des umfangreichen Ausstellungsmaterials gefunden.
Besonders Hans-Norbert Gast, der mit seiner Frau zu den Mitbegründern des Neuen Forums in Rheinsberg zählte, hat zahlreiche Dokumente beigesteuert. Ein Stück Streckmetall mit Bruchstücken der Berliner Mauer, die Gast selbst aus dem Betonwall gemeißelt hat, verleiht der Schau ein Stück Authentizität. Hinzu kommt eine Vitrine zur ersten demokratischen Wahl, bei der der PDS-Kandidat Ernst-Peter Jeremias die meisten Stimmen erhielt und in deren Ergebnis Manfred Richter (SPD) zum ersten demokratischen Bürgermeister gewählt wurde.
[BILDTEXTE]
OBEN: Ebenfalls zu sehen: Bruchstücke der Mauer. FOTOS: RAMMELT
UNTEN: Peter Francke (l.) und Sebastian Stude beim Aufbau der Schau.