KKW-Ausstellung: Bemerkenswertes Projekt des Vereins Stadtgeschichte
Jürgen Rammelt
(aus: Wochenspiegel; 30.01.2013)
RHEINSBERG (jr).
„1955 – Rheinsberg zwischen Blockwarte und Kulturhaus“ ist der Titel einer Ausstellung über das Rheinsberger Kernkraftwerk, die seit wenigen Tagen in den neuen Räumen der Remise am Triangelplatz gezeigt wird. Es ist die zweite Schau nach der Sanierungsausstellung, die vor wenigen Tagen abgebaut wurde.
Allein zur Eröffnung waren über 100 Interessierte gekommen, um sich die Ausstellung des Vereins Stadtgeschichte anzuschauen. Unter den Gästen befanden sich viele ehemalige Mitarbeiter, wie Hans-Jörg Fickert, Claus Herold, Friedrich Krause, Eberhard Gläser und Siegfried Herholz, die sich von der Ausstellung beeindruckt zeigten. Aber auch zahlreiche noch aktive Kernkraftwerker wollten die Eröffnung der Ausstellung nicht verpassen.
„Die Zahl 1955 hat eine doppelte Bedeutung“, erklärt Sebastian Stude, der Hauptakteur der imposanten Schau. „Zum einen war es das Jahr, in dem die ersten Überlegungen zum Bau des Kernkraftwerkes realistische Formen annahmen, zum anderen war es die damalige Postleitzahl von Rheinsberg.“ Stude, Historiker und gebürtiger Sachse, hat sich akribisch mit dem Thema „Kernkraftwerk Rheinsberg“ auseinandergesetzt und zusätzlich zur Ausstellung ein hochinteressantes Buch herausgegeben.
Neben der Suche in zahlreichen Archiven hat Stude mit einer Vielzahl ehemaliger Mitarbeiter gesprochen. Mit über 600 Beschäftigten war das KKW viele Jahre der größte Arbeitgeber der Stadt und es gibt kaum eine Familie in Rheinsberg, von der nicht ein oder gleich mehrere Mitglieder im Kernkraftwerk arbeiteten. Durch den Bau des Werkes stieg die Bevölkerung von Rheinsberg in den 70er-Jahren auf über 5000 Einwohner. Es entstand die Neubausiedlung, eine zusätzliche Schule und die gut verdienenden Beschäftigten des KKW sorgten für eine hohe Kaufkraft.
KKW-Bau wurde 1956 beschlossen
Aber auch auf kulturellem Gebiet profitierte die Stadt, wie in der Ausstellung gezeigt wird. Es wurde ein Kulturhaus gebaut und zahlreiche Volkskunstgruppen, wie der Faschingsclub, haben ihren Ursprung im Kernkraftwerk. Aber das KKW sorgte auch für soziale Unterschiede bei der Versorgung der Bevölkerung, in dem es in der Werksverkaufsstelle öfters Bananen und andere Südfrüchte, aber auch Sonderkontingente an begehrten Industriewaren, gab.
„Über den Bau des KKW wurde auf der 3. SED-Parteikonferenz 1956 entschieden“, berichtete Sebastian Stude den Gästen zur Ausstellungseröffnung. „Zuerst trug das Projekt die Bezeichnung „Kontrakt 903, später „Objekt 903.“ Für den Bau des Werkes gab es zunächst neun mögliche Standorte. Am Ende entschied man sich für das Naturschutzgebiet am Nehmitz- und Stechlinsee, was zur Folge hatte, dass die Umweltschützer gegen das Vorhaben mobil machten. Am 9. Mai 1966 ging das Kernkraftwerk ans Netz. Mit einem schelmischen Wink auf aktuelle Ereignisse, berichtete Stude, dass sich bis dahin die Bauzeit verdoppelt und die Kosten vervierfacht hatten.
Doch das ist angesichts des jetzigen Rückbaus längst Geschichte, die mit Hilfe der Ausstellung über das ostdeutsch-sowjetische Gemeinschaftsobjekt lebendig gehalten werden soll. Neben über 80 Fotos über das Kernkraftwerk, gibt es mehrere Bildtafeln, sowie Modelle des Maschinenhauses und Reaktorgebäudes zu sehen.
Die Ausstellung in der Remise kann während der Öffnungszeiten der Touristinformation bis zum 1. April 2013 besichtigt werden.
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Die neue Ausstellung über die Geschichte des Rheinsberger KKW stieß schon bei ihrer Eröffnung auf großes Interesse. Noch bis April kann die Ausstellung in der Remise besucht werden.
Fotos: Rammelt
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Die KKW-Ausstellung zeigt auch Modelle des Maschinenhauses und des Reaktorgebäudes.