Verein Stadtgeschichte entdeckte bei Arbeit für neuen Kalender eine Bilderfälschung / Neues Projekt zur Lüdicke-Sargtafel
Judith Melzer-Voigt
(aus: Ruppiner Anzeiger; 14.11.2013)
Rheinsberg (RA)
Es ist eine Puzzlearbeit, die der Rheinsberger Verein Stadtgeschichte leistet, wenn es ans Gestalten eines Kalenders geht. Doch am Ende steht ein Erfolg - so auch 2014. Die Ausstellung zum Planer wurde am Dienstagabend präsentiert. Und ein neues Projekt gibt es auch schon.
Es ist schon Tradition in Rheinsberg: Immer am Dienstag nach der Langen Nacht der Künste präsentiert der Verein Stadtgeschichte die Ausstellung zu seinem neuen Jahreskalender in der Rhinpassage und den Planer selbst. Der siebte Kalender ist es mittlerweile, und diesmal dreht sich alles um die Nähe der Stadt zum Wasser. Auf zwölf Blättern werden beispielsweise Brunnen, Badeanstalten, Dampfer und mehr behandelt - natürlich immer mit einem kurzen Text zur Historie des Dargestellten. In diesem Jahr sei die Themensuche aber etwas schwer gefallen, erklärte der Vereinsvorsitzende Jörg Möller. Trotz eines Aufrufs habe es keine Vorschläge gegeben. Ein ehemaliger Rheinsberger hatte dann die Idee zum Wasser-Thema, die Zustimmung fand.
Beim Sammeln von Material ist der Verein dann fast einer Foto-Fälschung aufgesessen, so Möller. Auf einem Foto von 1901 sein ein Dampfer vor der Remusinsel zu sehen gewesen. Bei näherem Anschauen stellte sich heraus, dass es sich um einen Schaufelraddampfer handelt. "Und den hat es hier nie gegeben", sagte Möller. Am schwierigsten sei aber die Arbeit zum Januar-Kalenderblatt gewesen. Dabei geht es um die Wasserburg. "Und dazu gibt es kaum Fotos", so Möller. Trotzdem ist es den Vereinsmitgliedern gelungen, viele Infos zu der Burg zusammenzutragen.
Vor dem Kalender ist nach dem Kalender, meinte Jörg Möller. Daher sei der Verein schon dabei, ein Thema für den Planer 2015 zu suchen. Vorschläge sind dabei gern gesehen. Interessierte, die den Kalender 2014 kaufen wollen, müssen sich indes beeilen, denn nicht selten gab es Auflagen, die schon Anfang Dezember ausverkauft waren.
Ganz schnell soll es nun auch mit dem zweiten großen Projekt des Vereins in diesem Jahr gehen: Die Sargtafel von Carl Friedrich Lüdicke soll in die Prinzenstadt zurückkehren - wenn auch nur als Kopie. Lüdicke war im 18. Jahrhundert Besitzer einer Fayencemanufaktur in Berlin, deren Produktion immer mehr nach Rheinsberg verlegt worden war. "Ihm haben wir 250 Jahre Keramik in Rheinsberg zu verdanken", war sich Möller sicher. 1797 starb Lüdicke. Sein Grab auf dem Rheinsberger Friedhof war mit einer schmuckvoll verzierten Sargtafel geschmückt. 1928 wurde die Gruft der Familie eingeebnet, die Tafel landete bei der heutigen Stiftung Stadtmuseum Berlin.
Auf dem evangelischen Friedhof in Rheinsberg hat der Verein indes einen Gedenkort eingerichtet, auf dem sich historisch oder architektonisch wertvolle Grabplatten befinden. "Es wäre schön, wenn da auch die Zinnsargtafel sein könnte", so Möller. Allerdings gibt es "null Chance", das Stück von der Stiftung zurückzubekommen. Auch eine Kopie zu machen, sei nicht leicht. "Es gibt keine Firma, die bereit ist, aus dem Original eine Zinn-Kopie zu gießen", erklärte der Vereinsvorsitzende. Möglich wäre ein Bronze-Abguss, doch der ist sehr teuer. Außerdem wage sich niemand so recht an das Original, um ein Negativ zu machen. Also hat der Verein nach einem neuen Weg gesucht - und ihn gefunden. Per 3-D-Scanner wird die echte Tafel vollkommen berührungsfrei und in einem Abstand von 20 bis 30 Zentimetern gescannt. Daraus entsteht dann ein dreidimensionales Computer-Modell, an dem weiter gearbeitet werden kann. "Dort kann man dann eine Schrift ausstechen", erklärte Möller. Mittels Fräsen oder Plotten könnte eine Kopie der Tafel entstehen.
Der Verein hat bereits eine Firma beauftragt, diese Nachbildung anzufertigen. Entstehen wird ein graues Plastik-Duplikat. Unterstützt werden die Mitglieder in ihrem Vorhaben vom Ortsbeirat, der das Projekt mit 2500 Euro unterstützt. Mit dieser Summe ist es möglich, eine Tafel zu kaufen, auf die der Sargschmuck gesetzt wird und die auf dem Gedenkort aufgestellt werden kann. Darauf werden auch Informationen zu Lüdicke zu lesen sein. Bis Jahresende soll die Platte samt Tafel stehen.
"Bis dahin reicht also das Geld", so Möller. Doch der Verein hat noch einen Wunsch: Die Firma könnte das Plastik-Modell der Sargtafel noch ein zweites Mal ausdrucken. Dann könnte eine dünne Zinnplatte daraus entstehen. Es habe sich auch jemand gefunden, der bereit ist, diese anzufertigen. Die Buchstaben auf der Sargtafel werden dann - wie beim Original - mit Pech ausgestrichen. Somit entstünde ein täuschend echtes Duplikat, das dann auf dem Friedhof aufgestellt werden kann. 2000 Euro würde dieser Schritt noch einmal kosten. Nun sucht der Verein Sponsoren, die das Projekt unterstützen.
Info: (03 39 31) 37760
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Der Kalender 2014 des Vereins Stadtgeschichte ist in einer Auflage von 500 Exemplaren erschienen. Er kostet neun Euro und wird in den Räumen des Heimatvereins in der Rhinpassage, in der Tourist-Info und im Tucholsky-Museum verkauft.
[Bildtitel Sargtafel]
Schmuckvoll: die Sargtafel von Lüdicke.
Repro: Verein
[Bildtitel Foto]
Das Team: Die Mitglieder des Vereins Stadtgeschichte Rheinsberg haben gemeinsam den neuen Kalender 2014 erarbeitet, in dem sich alles um die Nähe der Stadt zum Wasser dreht. Der Terminplaner kostet neun Euro.
Foto: Judith Melzer-Voigt