Zeitzeugen erinnerten sich in Rheinsberg, nachdem sie den Dokumentarfilm von Hans-Joachim Attig gesehen hatten
Clara Bergmann
(aus: Ruppiner Anzeiger; 17.09.2013)
Rheinsberg (cb)
Grüne Wiesen, Kiefernwälder - zwischendrin stehen immer wieder Tafeln mit schwarzen Gestalten auf weißem Grund und einem roten Dreieck. Sie erinnern an die Todesmärsche. Auf die Spur des Marsches aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen und aus dem Nebenlager Leegebruch begibt sich die Dokumentation "Vergeben Ja - Vergessen nie" des Lindower Dokumentarfilmers Hans-Joachim Attig. Alle vier Teile wurden am Sonnabend und Sonntag im Rheinsberger Schlosstheater gezeigt.
Zu Anfang wurde über den Aufstieg des Naziregimes und die Entstehung der Konzentrationslager berichtet. Dann wurde gezeigt, wie die Alliierten näher rückten, die Nazis Spuren ihrer Taten vernichten und die ausgehungerten KZ-Häftlinge nach Norden oder Süden trieben. Aus Sachsenhausen mussten die Gefangenen nach Norden marschieren.
Attig hatte sich entschieden, die Spuren der Märsche mit dem Auto abzufahren. In verschiedenen Orten, durch die auch die Gefangenen laufen mussten, machte das Auto halt. Zeitzeugen sprachen über ihre damaligen Eindrücke. Gegenwärtig war ihnen die Erinnerung an Holzpantinen auf den Pflasterstraßen und an den schwankenden Gang ausgemergelter Gestalten. So schilderte Reinhard Jost aus Lindow im Film: "Es wurde überhaupt nicht gesprochen. Es war eine gespenstische Ruhe, die nur von dem Klappern der Holzschuhe unterbrochen wurde." Andere erinnern sich mit Schrecken an die SS-Männer und ihre Hunde. Bürger, die Gefangenen helfen wollten, wurden aufgefordert, dann doch gleich selbst mitzumarschieren. Unterlegt mit Zeichnungen von KZ-Häftlingen und Originalfotos der Märsche von Willy Pfister, lieferte Attig einen beklemmenden bildlichen Gegensatz zu den beschaulichen Dörfern und Wegen von heute.
Bei einer den Film reflektierenden Gesprächsrunde sagte der Linken-Landtagsabgeordnete Dieter Groß, dessen Vater in Sachsenhausen inhaftiert war, am Sonnabend: "Mich hat dieser Film sehr berührt und er macht mich wütend. Das Thema ist aktueller denn je." Das Gezeigte hatte dem Rheinsberger Hans-Georg Rieger, der sich dafür eingesetzt hatte, dass der Film in der Stadt gezeigt wird, zunächst die Sprache verschlagen. Er war sich jedoch sicher: "Dieser Film erfüllt die Gedenktafeln unserer Region mit Leben." Schlosstheater-Chefin Dr. Ulrike Liedtke meinte: "Viele können erst so viele Jahre danach anfangen, über ihre Erlebnisse zu sprechen." Ihr war es wichtig, diesen Menschen einen Raum zu geben, um gehört zu werden.
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Teilnehmer des Gesprächs: Hobbyhistoriker Jörg Möller, Filmer Hans-Joachim Attig, der Linken-Landtagsabgeordnete Dieter Groß, Ulrike Liedtke und Hans-Georg Rieger diskutierten mit.
Foto: Clara Bergmann