Verein Stadtgeschichte Rheinsberg gibt nicht alltägliche Einblicke in ein Jahrhundert
Holger Rudolph
(aus: Ruppiner Anzeiger; 14.10.2004)
RHEINSBERG. Wer sich auf eine Reise durch 100 Jahre Rheinsberger Geschichte begeben möchte, kann derzeit im Auktionshaus Rheinsberg an der Seestraße viel Interessantes über die Stadt im Wandel der Zeit von 1900 bis 2000 erfahren.
Der erst Anfang Mai gegründete Verein Stadtgeschichte Rheinsberg hat die Ausstellung erarbeitet, die an der rechten Seite der ersten Halle des Auktionshauses präsentiert wird. Hans-Norbert Gast vom Vorstand des Vereins berichtete gestern, dass es inzwischen zwölf Mitglieder gibt. Weitere Interessierte sind an den Dienstagen der ungeraden Wochen, stets ab 19 Uhr, im Auktionshaus zu den Treffen der Geschichtsfans gern gesehen.
Die Exposition zeigt in mehreren Vitrinen und auf Schautafeln interessante Details aus einem Jahrhundert Rheinsberg. So dreht sich ein Komplex um die Rheinsberger Zeitung, die von 1894 bis 1940 zwei- bis dreimal pro Woche herausgegeben wurde und von den Bewohnern der heutigen Kernstadt bezogen werden konnte. Die Beispielseite zeigt, dass sich mit ein wenig Fantasie aus einer bloßen Polizeimeldung eine kleine Geschichte entwickeln ließ. Getreu dem Untertitel der Zeitung, die sich „Illustriertes Unterhaltungsblatt" nannte.
Eine andere Vitrine thematisiert die wichtigsten Rheinsberger Betriebe. Das ist neben den Keramikmanufakturen das Carmol-Werk, aus dem zu DDR-Zeiten der VEB Berlin-Chemie wurde. Seit 2001 ist das Werk geschlossen.
Erstaunlich ist, wie viele Handwerker es noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Stadt gab. Hans-Norbert Gast fand in den Siebzigern auf einer Müllkippe einen Ordner voller alter Rechnungen, darunter viele von schon damals längst nicht mehr existenten Handwerksbetrieben. Ein Teil jener handschriftlich ausgestellten Formblätter ist nun zu sehen. Schlosser, Schmiede, Sägewerksbetreiber, Kohlehändler und viele andere Gewerke mehr tummelten sich in der kleinen Stadt. Und es gab massenhaft Bäcker, fast an jeder Straßenecke einen.
Während sich viele ehemalige Unternehmen auch bildlich schon gut beziehungs-
weise sehr gut dokumentieren lassen, fehlen dem Verein noch Aufnahmen oder Gemälde vom alten Gaswerk, das an der heutigen Breitscheidstraße stand.
Als Glücksfall erwies sich hingegen der Fund der Familie Torrilhon auf dem Dachboden ihres Hauses an der Schlossstraße. Sie entdeckten Kleiderbügel der Herrenschneiderei Lüdecke, die einst ihr Geschäft in jedem Gebäude hatte. Weit interessanter aber sind die Bekleidungstücke mit Monogrammen, die wohl zur Aussteuer der Toch-
ter des Hauses gehört haben müssen. Sie sind nun ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. Bunt locken das Auge auch alle Jahresorden des Rheinsberger Carnevals Clubs. Der erste von 1973 ist noch aus Pappe, der zweite war aus Blech, alle weiteren wurden aus Keramik in einer der Manufakturen angefertigt. Sehenswert auch alte Aufnahmen vom Marktplatz samt Musikpavillon. Dass Feuerwehrhelme nicht immer so zweckmäßig wie heute aussahen, und dass der Turm der alten Feuerwehr auf dem
Kirchplatz den Brandbekämpfern seinerzeit zu Kletterübungen diente, belegt die Exposition ebenfalls.
Auch gibt sie einen Überblick über Rheinsberger Post- und Sonderstempel. Sie widmen sich Kernkraftwerk, Preußen-Prinzen und Eisenbahn. Doch der jüngste ernüchtert. Frachtpostzentrum steht auf dem Briefumschlag. Hans-Norbert Gast sagt: „Das ist wohl bei Hennigsdorf. Rheinsberg hat ja seit Jahren keine Post mehr."
Der Hobbyhistoriker betont mehrfach, dass sein junger
Verein gern mit vielen anderen lokalen Vereinen zusammenarbeiten möchte. Denn sie alle gehören zum Rheinsberg von heute.
Die Ausstellung über ein Rheinsberger Jahrhundert ist täglich von 11 bis 17 Uhr noch bis zum 24. Oktober zu sehen. Der Eintritt ist frei. Wer mehr über die Vereinsarbeit wissen möchte, kann beim Vorstandsvorsitzenden Jörg Möller unter (03 39 31) 3 77 60 anrufen oder ihm mailen:joerg.moeller-rheinsberg@t-online.de