Baustelle virtuelle Prinzenstadt
Robby Kupfer
(aus: Märker; 17.02.2007)
Ein Geschichtsverein in einer so geschichtsträchtigen Stadt wie Rheinsberg - da erwartet man ein Gründungsdatum irgendwo in der ersten Hälfte des vorigen oder vielleicht sogar des 19. Jahrhunderts. Dem ist jedoch beim Rheinsberger Geschichtsverein mitnichten so. Er wurde erst 2004 ins Leben gerufen. Die Diskrepanz erklärt Vereinsvorsitzender Jörg Möller: „Natürlich gab es schon immer Dutzende Historiker, die sich mit Rheinsberg befasst haben. Aber eben doch zumeist mit dem herrschaftlichen Rheinsberg, mit Schloss und Schlosspark also. Was fehlte, waren geschichtliche Erkundungen zur Stadt selbst, die zumeist stiefmütterlich behandelt wurde."
Genau diese Lücke füllt der momentan elf Mitglieder zählende Verein seit drei Jahren aus. Und das mit beachtlichem Erfolg. Der allerdings nicht in wöchentlichen Vereinssitzungen, Diskussionsrunden oder Vorträgen zu messen ist, sondern sich maßgeblich im virtuellen Raum abspielt. „Wir sind eher kein Geschichtsverein der alten Schule, der sich am Biertisch trifft und wo die Mitglieder erzählen, was sie da mal gehört haben oder was es dort an Anekdötchen so aufzuschreiben gäbe. Wir versuchen statt dessen, mit wissenschaftlichem Anspruch und mit Originalbelegen zu arbeiten und diese vor allem nachhaltig zu sichern", so Möller. Das Ergebnis dieser unglaublich aufwendigen Sysiphos-Arbeit kann im Internet unter www.stadtgeschichte-rheinsberg.de betrachtet werden. Neben Infos zum Verein und einem virtuellen Stadtrundgang ist dort das Herzstück der Vereinsarbeit zu erforschen - die Datenbank. Diese enthält momentan l 015 Objekte, und beinahe täglich kommen neue hinzu. Zu finden sind hier beispielsweise Fotos von sämtlichen Häusern der Rheinsberger Kernstadt -aufgenommen von Mitgliedern des Vereins im Jahr 2005. Doch damit nicht genug. Wo immer in den Archiven von Rheinsberg, Neurup-pin, Wünsdorf oder Potsdam die akribischen Freizeit-Historiker Aktenfunde zu Gebäuden oder Grundstücken machten, werden diese dazu gestellt. So bekommt nach und nach jedes Rheinsberger Haus seine eigene Online-Akte - ein Ergebnis historischer Feldforschung, um das die Rheinsberger von so ziemlich jeder anderen Stadt in Brandenburg beneidet werden dürften. Die vom Vereinsmitglied Holger Pfeifer, von Beruf Informatiker, gepflegte Datenbank enthält die Möglichkeit der Volltextsuche, hier können nicht nur historische Bilder und Akten, sondern auch Literatur zu Rheinsberg oder die Biografien von Ehrenbürgern der Stadt eingesehen werden.
Um diesen Berg an Fakten und Akten ins Netz zu bekommen, bedarf es natürlich einer gewaltigen Vorarbeit. Nicht nur die Suche in den diversen Archiven, auch die Auswahl Stadtgeschichte im Detail: das Scannen und Kopieren will geleistet sein. Das computergestützte Archiv des Vereins enthält auch diese Zeichnung zur Erbauung einer Räucherkammer vom 28. Juni 1900. und Bearbeitung,
So ist Vereinsvorsitzender Möller froh, dass er über eine ABM-Stelle in Yvonne Frenkel momentan eine tatkräftige und fachlich versierte Unterstützung gefunden hat. Nach wie vor problematisch ist die finanzielle Ausstattung des Vereins. Von den kaum mehr als 200 Euro, die als Mitgliedsbeträge jährlich hereinkommen, könnten noch nicht mal Kopierpapier und Druckerpatronen gekauft werden. Also ist der Verein auf Geld- und Sachspenden oder Sponsoren für die Computertechnik angewiesen. Darüber hinaus ist man über Zu- und Mitarbeit weiterer Rheinsberger jederzeit erfreut. Wer historische Fotos, Akten oder Fundstücke präsentieren kann oder sich einfach für die Arbeit des Ge-schichtsvereins interessiert, ist zu den wöchentlichen Sitzungen (immer dienstags ab 19 Uhr), standesgemäß in einem kleinen Raum des Marstalls abgehalten, gern gesehener Gast. So wird momentan beispielsweise ein Mitstreiter gesucht, der die alten, oft in Sütterlin-Schrift verfassten Akten entziffern hilft.
Aber auch über das Internet hinaus ist der Verein Stadtgeschichte Rheinsberg präsent. So unter anderem mit Vortragen und mit jährlichen Ausstellungen, die - jeweils zwischen Töpfermarkt und langer nacht der Künste platziert - Stadtgeschichte auch optisch aufarbeiten. So gab es 2005 eine Ausstellung mit alten Rheinsberger Ansichtskarten und 2006 eine zu anderen Rheinsberger Vereinen. 2007 soll eine zu historischen Stadtplänen folgen.