Engagement | Hans-Jürgen Kuhnert vom Verein Stadtgeschichte Rheinsberg ist ein Multitalent und ein „Bastler vor dem Herrn". Er hat die zerstörte Grabanlage auf dem kirchlichen Friedhof wiederhergestellt. Von Jürgen Rammelt
Jürgen Rammelt
(aus: Ruppiner Anzeiger; 04.09.2025)
Vor einigen Jahren hat Hans-Jürgen Kuhnert das Rheinsberger Schloss im Miniformat nachgebaut und auch ein Modell des mittelalterlichen Rheinsbergs gestaltet. Jetzt ist der 73-Jährige unlängst unter die Kunstgießer gegangen.
Hans-Jürgen Kuhnert ist eine Art Multitalent und ein „Bastler vor dem Herrn". Als Mitglied des Vereins Stadtgeschichte Rheinsberg ist er immer gefragt, wenn es komplizierte oder schwierige Aufgaben zu lösen oder etwas zu reparieren gilt. Er versteht sich auf Bleiverglasungen, aber auch aus Holz und Metall hat er bereits wunderbare Dinge angefertigt. Diesmal sind es zwei identische Schmuckelemente für eine Grabanlage auf dem kirchlichen Rheinsberger Friedhof.
Dem voraus ging vor etwa drei Jahren ein Schock. Die Mitglieder des Vereins Stadtgeschichte Rheinsberg wollten es kaum glauben: Die Grabstätte der Familie Poscich war geschändet worden. Unbekannte hatten zwei Schmuckelemente zu beiden Seiten der Grabanlage entwendet. Es wurde vermutet, dass die Diebe es auf das Buntmetall abgesehen hatten, denn der Schmuck in Form von Kränzen bestand aus Bronze oder aus einer anderen Metall-Legierung. Für den Verein, der auf dem Friedhof einen Gedenkort eingerichtet hat, gehört die Grabanlage von Rudolf Poscich (1864-1937), dem Gründer und früheren Besitzers der Carmolfabrik, zu den betreuten Gräbern. Mehrmals im Jahr kümmern sich Mitglieder des Vereins um die Grabanlage von Rudolf sowie Emma (1844-1938) und Hans (1905-1943) Poscich, genauso wie um die Gräber bedeutender Persönlichkeiten und Ehrenbürger der Stadt. Da wird zum Beispiel geharkt und die Bepflanzung erneuert. Auch als vor einigen Jahren einige Buchstaben von der Beschriftung verloren gegangen waren, wurden diese durch den Verein ersetzt. Allerdings war der Schaden diesmal größer. Eine Anzeige gegen Unbekannt führte zu keinem Ergebnis, und auch die Suche nach einem entsprechenden Ersatz für die entwendeten Schmuckelemente im Internet blieb ohne Erfolg. So musste wieder einmal Eigeninitiative helfen - zumal der Geschichtsverein mit Hans-Jürgen Kuhnert einen Bastler, der schon öfters sein Können bewiesen hatte, in seinen Reihen hat.
Kuhnert stellte sich der Herausforderung. Los ging es, indem er nach einer maßstabgetreuen Abbildung aus Holz eine Kopie des Kranzes anfertigte. „Es war schon mühsam, die einzelnen Blätter zu schnitzen und dabei die Form zu wahren", schildert Kuhnert den Vorgang. Nachdem das geschafft war, baute er eine Form, in der mithilfe des hölzernen Kranzes eine Gipsform gegossen wurde. Diese Form sollte die Grundlage bilden, um die zwei neuen Kränze zu gießen. Allerdings stellte sich die Frage, welches Material sich dafür eignen könnte. Gemeinsam mit den anderen Vereinsmitgliedern wurde über die unterschiedlichen Varianten beraten: Sollte es ein Kunststoff oder wieder Metall sein? Am Ende verständigte man sich auf eine Metalllegierung auf der Grundlage von Blei und Zinn. Doch schon gab es ein neues Problem: Woher sollte das Material kommen? Auch da erwies sich der Verein selbst als Lösung, indem die Mitglieder in ihren Kellern, Werkräumen und Böden nach Resten von Zinn und Blei suchten und fündig wurden. Hans-Jürgen Kuhnert hatte inzwischen eine Vorrichtung gebaut, die für den Schmelz- und Gießvorgang dienen sollte. Wegen der Giftigkeit von Blei erfolgte alles im Freien. Als Ofen diente ein Rost, als Brennstoff Holzkohle und als Material für den Grabschmuck eine Mischung aus Blei- und Zinnabfällen. Am Ende hat alles funktioniert. „Es war zwar kompliziert, die Kränze unversehrt aus der Form zu bringen, aber alles ist heil geblieben", freut sich Kuhnert über sein gelungenes Werk. So fehlte bloß noch die Patina, mit der die Kränze vor dem Anbringen den passenden Anstrich erhalten mussten. Aber auch das ist geschafft - ein Erfolg auf den der Verein und sein „Kunstgießer" mit Recht stolz sein dürfen.
[Bildtitel v.o.n.u.]
Hans-Jürgen Kuhnert, hier mit der Vorrichtung zum Schmelzen der Le-gierung aus Blei und Zinn Fotos: Jürgen Rammelt
Weil der Inhalt giftig ist, ge-schah alles im Freien.
Mithilfe einer Form wurden zwei iden-tische Kränze her-gestellt.
Das Grab mit den Kränzen zu beiden Seiten ist wiederher-gestellt. Am Ende fehl-te nur noch die Patina auf den Zierstücken.
