Vortrag Ein Rundgang unter Leitung des Nachtwächters führte zahlreiche Interessierte durch Rheinsberg. Im Mittelpunkt standen die verheerenden Stadtbrände vergangener Jahrhunderte. Von Jürgen Rammelt
Jürgen Rammelt
(aus: Ruppiner Anzeiger; 16.08.2025)
Es war der vergangene Dienstagabend, Punkt sieben Uhr. Mit dem letzten Glockenschlag der Kirche kommt Hans-Norbert Gast im Outfit eines Nachtwächters um die Ecke der Seestraße. Dort wartet bereits eine beachtliche Anzahl von Menschen. Es sind Einwohner der Stadt, aber auch zahlreiche Urlauber und Bewohner aus den Ortsteilen. Wie an jedem zweiten Dienstag im Monat hat der Verein Stadtgeschichte Rheinsberg zum Vortrag eingeladen. Die Resonanz auf die Veranstaltungsreihe ist diesmal rekordverdächtig. Es steht eine Wanderung durch die Stadt auf dem Programm. Thema sind die Stadtbrände und Feuersbrünste der Vergangenheit.
Erster Halt in der Kirchstraße
Der Nachtwächter, der seit dem Mittelalter und noch bis ins 20. Jahrhundert eine wichtige Funktion besaß, was den Feuerschutz betraf, wird von Jörg Möller, dem Vereinsvorsitzenden vorgestellt. Ausgerüstet mit Trillerpfeife, einem Horn und einer Hellebarde erklingt das Nachtwächterlied „Hört ihr Leute, und lasst Euch sagen ..."
Möller verweist bei der Begrüßung auf die zahlreichen Brände, bei denen Rheinsberg teilweise in Schutt und Asche versank, auf das Jubiläum der örtlichen Feuerwehr und auf die Ausstellung des Vereins Feuer & Flamme im Haus der Stadtgeschichte. „Eigentlich hatten wir vor, in der Ausstellung zu beginnen, aber da passen heute nicht alle hinein", erklärt er.
So ging es kurzerhand um die Ecke, wo in der Kirchstraße nach 20 Metern das erste „Halt" ertönte. Möller verwies auf die ehemalige Schule, hob den Mittelteil des Gebäudes hervor, der im Gegensatz zu den Teilen rechts und links kein Fachwerk besitzt. „Hier hat es in den letzten Kriegstagen 1945 einen Bombentreffer gegeben, genauso wie beim Rathaus", erinnert der Vorsitzende. Nächstes Ziel ist die Kirche. Die Brandspuren der Vergangenheit sind schwer zu finden. Verkohlte Balken gibt es unter dem Dach. Sandra Bothe, eine Rheinsberger Restauratorin, die auch Vereinsmitglied ist und an der Restaurierung der Kirche mitgewirkt hat, berichtet den Teilnehmern von den Bränden und Entdeckungen. Eine der Entdeckungen war ein sogenanntes Chronogramm. Das ist ein Text, der von den Restauratoren in einer Fensterlaibung gefunden und freigelegt wurde. Die geheime Botschaft verweist auf einen Brand im Jahre 1635 und in großen römischen Zahlen ist das genaue Datum für die Nachwelt festgehalten.
Von der Kirche geht es weiter in Richtung Mühlenstraße. Angekommen an einem Ackerbürgerhaus wird an den großen Stadtbrand von 1740 erinnert, der große Teile der Stadt vernichtete. Lediglich in der Mühlenstraße überstanden 19 Häuser das Feuer. Heute erinnern die breiten Straßen und die quadratischen Wohnquartiere an den Wiederaufbau der Stadt auf Veranlassung des Kronprinzen Friedrich, der kurze Zeit später zum König von Preußen ernannt wurde.
Doch weiter im Programm: Es wird berichtet, dass es nach den Bränden verboten war, die Häuser mit Stroh zu decken. Die Scheunen der Bauern wurden an den Rand der Stadt verbannt. Auch was das Löschwesen betraf, wurden die Bürger verpflichtet, sich um die Brunnen zu kümmern.
Eine weitere Station war der Standort der früheren Steingutfabrik. Hier konnten Sandra Bothe und Jörg Möller von den Bränden 1925 und 1972 erzählen und Berichte aus der Rheinsberger Zeitung vortragen. 1925 versagte die neue Spritze der Feuerwehr, weil sie eingefroren war. Und beim Brand starb der Konditormeister Rückheim an einem Herzschlag. Was die Brände in dem Keramikbetrieb betraf, war oftmals von Brandstiftung die Rede. Nach dem Brand von 1972 wurde der Betrieb bereits nach 56 Stunden schnell wieder aufgebaut und, mit Hilfe der Kollegen, die Produktion wieder aufgenommen. Es gab aber auch die Vermutung, dass der Brand von 1925 benutzt wurde, um sich von unliebsamen Mitarbeitern zu trennen, heißt es in dem Vortrag.
Nach gut einer Stunde erreichten die Teilnehmer die Schule in der Menzer Straße. Die als Aula genutzte Turnhalle und der Verbindungsbau fielen im Dezember 1920 einem Brand zum Opfer gefallen. In unmittelbarer Nähe, dort, wo sich heute die Verbrauchermärkte von Edeka und Aldi befinden, gab es, wie auch anderenorts, ein Scheunenviertel. Auch diese wurden oftmals im Mittelalter und auch noch danach durch Feuersbrünste vernichtet. 1840 brannten hier 30 Scheunen ab. Die letzten Exemplare wurden 1994 bei einem Brand vernichtet. Der Nachtwächter beendete den Rundgang mit einem seiner selbst gedichteten Reime und erntete großen Beifall.
[Bildtitel:] In der Kirche berichtet Sandra Bothe von Entdeckungen. Foto: Jürgen Rammelt