Heimatgeschichte
Jürgen Rammelt
(aus: Ruppiner Anzeiger; 26.02.2024)
In Rheinsberg wanderten die Teilnehmer durch die historische Stadt zum Bullenwinkel. Es gab viele Informationen und Hinweise zur Heimatgeschichte. Von Jürgen Rammelt
Rheinsbergs Straßen können viel erzählen. Besonders der nach dem verheerenden Stadtbrand von 1740 nach Plänen des preußischen Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff wieder aufgebaute Stadtkern ist ein historisches Kleinod, dem besondere Beachtung zukommt. Mit den breiten Gehwegen, den Häusern der einstigen Ackerbürger und dem stellenweise noch erhaltenen Kopfsteinpflaster bietet die Stadt gute Gelegenheit, das frühere Leben zu erkunden.
So hatte am Sonnabend anlässlich des diesjährigen Weltgästeführertages die Tourist-Information des staatlich anerkannten Erholungsortes gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Kultur- und Landschaftsführer im Naturpark Stechlin-Ruppiner Land zu einer kostenlosen Führung eingeladen. Los ging es um 14 Uhr an der Remise. Unter Leitung von Jeanette Lehmann und Anke Hoffmann, zwei zertifizierte Stadt- und Landschaftsführerinnen, ging es von der Remise, vorbei am Denkmal des Kronprinzen Friedrich zum einstigen Amtsgericht am Markt, wo sich früher auch das Stadtgefängnis befand.
Weitere Stationen waren das frühere Hotel Fürstenhof mit seiner für das Land Brandenburg einzigartigen Bäderarchitektur, das Bollwerk als Ort der ersten Seebadeanstalt und zum ehemaligen Warmbad. Dabei hatten die beiden Frauen viel Interessantes zu erzählen. So auch am früheren Löschwasserbrunnen, von denen es gleich mehrere im mittelalterlichen Rheinsberg in der Königstraße gab.
Von da aus ging es in die Tucholsky Straße, die einst Petersilien-, danach von 1946 bis 1980 nach dem Politiker der Weimarer Republik Gustav Stresemann, Stresemannstraße, und von 1901 bis 1946 nach dem Kronprinzen Friedrich von Preußen benannt war. Der Abschnitt zum See hieß dagegen Schäferstraße.
Wie Lehmann den knapp 30 Teilnehmern der Führung erklärte, hatten in früheren Zeiten zahlreiche Handwerker und Kleinhändler in der Stadt ihre Geschäfte. Es waren Schuhmacher, Siebmacher, Buchdrucker, Korbmacher, Hufschmiede und sogar 14 Brauer. Der Name Petersilie entstand laut Lehmann, indem die Leute in ihren Vorgärten Petersilie anbauten, deren Sud als Abtreibungsmittel galt. Wie die Stadtführerin erklärte, gab es in Rheinsberg wie auch in anderen Städten mehrere Bordelle und „da ging auch manchmal etwas schief“.
Heute dienen die kleinen Häuschen Familien als Wohnstätten, wobei hinter den Gebäuden sich oftmals kleine Gärtchen anschließen.
Nach einem Abstecher zum Haus der Stadtgeschichte, wo die Teilnehmer die aktuelle Ausstellung und den Eiskeller besichtigten, führte der Weg in den sogenannten Bullenwinkel. Natürlich wollten die Gäste der Führung wissen, wie es zu dem Namen kam. „Hier war der Stadtbulle zu Hause. Ein männliches Tier, das die Aufgabe hatte, bei den Kühen der Ackerbauern für Mutterfreuden zu sorgen.“, erklärte Lehmann.
Auch hier konnte die Stadtführerin mit Zahlen aufwarten: Immerhin gab es 1777, zur Zeit von Prinz Heinrich, in Rheinsberg 78 Pferde, 310 Stück Rindvieh, 800 Schafe und 250 Schweine. „Diese dienten größtenteils der Ernährung und wurden im Herbst, wenn das Futter knapp wurde, geschlachtet.“
Erwähnung fand auch eine Senke im Straßenverlauf. „Hier befand sich einmal ein Graben, in dem die Abwässer gesammelt und abgeleitet wurden“, berichtete Lehmann.
[Bildtitel oben:] Ein Halt wurde auch am früheren Löschwasserbrunnen, von denen es mehrere im mittelalterlichen Rheinsberg [gab], in der Königstraße eingelegt. Fotos: Jürgen Rammelt
[Bildtitel Mitte:] Erinnerung an den verheerenden Stadtbrand, nach dem die Stadt wieder neu aufgebaut wurde. [Mittig das Logo des Vereins Stadtgeschichte Rheinsberg.]
[Bildtitel unten:] Tatsächlich wurde in der Petersilienstraße Petersilie angebaut.