Schulangebot Zehn Drittklässler des Rheinsberger Bildungscampus tauchen bei der AG "Zeitreise" regelmäßig in die Geschichte ein. Sie fiebern vor allem einem spannendem Moment entgegen
Jürgen Rammelt
(aus: Ruppiner Anzeiger; 27.03.2023)
MOZ RA Zeitreise
Mit der Schneeeule Hedwig auf Zeitreise
Drittklässler des Rheinsberger Bildungscampus tauchen in die Geschichte ein
Jürgen Rammelt
Rheinsberg Es ist kurz nach 13 Uhr und der eigentliche Unterricht der Drittklässler am Rheinsberger Bildungscampus ist zu Ende. Doch für sechs Mädchen und vier Jungen steht noch ein Höhepunkt bevor: Die Kinder eilen hinauf in den vierten Stock des Schulgebäudes, wo bereits Sandra Bothe auf die Kinder wartet.
Bereits das Plakat an der Tür verrät, dass sich hier die Arbeitsgemeinschaft „Zeitreise“ jeden Dienstag trifft, die von Sandra Bothe geleitet wird. Die Begrüßung ist herzlich. Schnell werden die neuesten Nachrichten ausgetauscht. Ein Mädchen verrät, dass ihre Eltern gestern Hochzeitstag hatten. Ein anderes freut sich schon auf den Geburtstag, den sie demnächst mit Freundinnen feiern möchte.
Dann werden die Plätze eingenommen, auf denen bereits die an einem Band befestigten Expeditionsausweise liegen. Die folgenden zwei Unterrichtsstunden sind genau strukturiert. Es gibt einen festen Ablauf. Da werden Expertenkarten gelost und die Aufgaben verteilt. Über allem wacht Hedwig, eine Schneeeule, wie sie die Kinder aus dem Harry-Potter-Film kennen. Die Freude ist den Kindern anzumerken. Einige sind zappelig. Dennoch haben sich alle verpflichtet, Disziplin zu wahren und Ordnung zu halten.
Als Sandra Bothe, die mit ihrer Schwester ein Farbkonzept für die Schule erstellt hatte, erfuhr, dass die Bildungseinrichtung ehrenamtliche Leute sucht, die eine Arbeitsgemeinschaft im Sekundarbereich leiten, überlegte die Diplom-Restauratorin, ob sie da nicht helfen könnte. Da kam ihr die Idee mit der Expedition, einer Zeitreise in die analoge Vergangenheit.
Als das Angebot für die Schülerinnen und Schüler der dritten Klassen bekannt wurde, war der Ansturm gewaltig. Es gab mehr Bewerber als die vorgesehenen zehn Plätze. So musste das Los über die Teilnehmer entscheiden. Die Glücklichen, die seit den Herbstferien sich regelmäßig treffen, sind Timo, Louis, Niclas, Marlene, Dominik, Inteser, Lilly, Trudy, Thalia und Sana.
„Wichtig für die Zeitreise ist neben der Teamarbeit vor allem das Equipment“, erklärt Bothi, wie die AG-Leiterin von den Kindern genannt wird. Neben einem großem Reisekoffer sind das unter anderem ein Wecker in Form einer Diamantuhr, ein Maßband als Zeitstrahl und eine Zeitmaschine Zeitfahrrad. Letztere wurde von Hans-Jürgen Kuhnert entwickelt und aus Fahrradteilen gebaut.
Der Rheinsberger ist ein versierter Bastler, der genauso wie Sandra Bothe im Rheinsberger Stadtgeschichtsverein aktiv ist. Die Kinder nennen ihn inzwischen liebevoll Hajü Düsentrieb. Nach der Begrüßung und den ersten Auslosungen, darf eines der Kinder als Experte für Fitness mit den Teilnehmern Lockerungsübungen durchführen.
Der spannendste Moment ist dann, wenn der Brief vom Experten für Briefe geöffnet wird, den Hedwig im Schnabel hat. In ihm steht, in welches Jahr die Zeitreise geht. Dann wird das Zeitfahrrad in Betrieb genommen und es muss gerechnet werden. Wie viele Jahre sind bis heute seitdem vergangen?
Das Ergebnis wird mittels des Bandmaßes in Zentimetern angezeigt. Als vor einigen Wochen die Zeitreise ins Jahr 105 nach Christi ging, wo in China die Papierherstellung begonnen hatte, musste das Bandmaß auf 19,17 Meter durch mehrere Klassenräume aufgerollt werden. Dabei stand jeder Zentimeter für ein Jahr.
Die Zeitreisen, die bisher unternommen wurden, waren alle sehr spannend, erklären die Kinder übereinstimmend. Da ging es zum Beispiel um die Freimaurerbewegung und deren Geheimcode. Das war 1717. Auch die Entwicklung des SOS-Notrufes war bereits Thema, genauso wie der österreichische Künstler, Architekt und Philosoph Friedensreich Hundertwasser (1828-2000) sowie die Geschichte des Bügeleisens.
Die jüngste Zeitreise führte ins Jahr 1821, als das „Schreibclavier“, der Vorläufer der Schreibmaschine, erfunden wurde. Dazu hatte Sandra Bothe im Verein für Stadtgeschichte einen Rundruf gestartet, wer noch ein solches Gerät besitzt. Am besagten Dienstag wurde dann in dem AG-Raum ein Büro mit fünf Arbeitsplätzen eingerichtet, an dem sich die Jungen und Mädchen an den Schreibmaschinen ausprobieren durften. Am Ende entstand ein Plakat mit einem auf der Maschinen geschriebenen Text und einem Bild.
Annett Marquardt, die Schulleiterin für die Primarstufe, ist voll des Lobes über die AG Zeitreise: „Seit den Herbstferien bietet Frau Bothe für Kinder der dritten Klasse im Rahmen des Ganztages die AG Zeitreise an. Die Nachfrage für dieses Angebot war bei den Kindern so groß, dass wir durch das Los die Schülerinnen und Schüler auswählen mussten, die die AG besuchen dürfen. Alle Kinder, die dorthin gehen, sind von dem Angebot sehr begeistert. Wir sind dankbar dafür, dass Frau Bothe unseren Kindern ein so vielfältiges, interessantes und breit gefächertes Angebot ermöglicht, und freuen uns umso mehr, dass Frau Bothe auch im nächsten Schuljahr Kinder der zukünftigen dritten Klassen auf eine Zeitreise mitnehmen wird.
[Bildunterschriften:]
Foto mitte: Schulangebot Zehn Drittklässler des Rheinsberger Bildungscampus tauchen bei der AG „Zeitreise“ regelmäßig in die Geschichte ein. Sie fiebern vor allem einem spannenden Moment entgegen.
Foto unten links: Sandra Bothe, Leiterin AG „Zeitreise“
Foto rechts: Die Schneeeule Hedwig